Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Sophie Trudeau kriegts nicht hin. Die Frau des kanadischen Premierministers hat drei schulpflichtige Kinder und jetzt hat sie in einem Interview geklagt, dass ständig Anfragen kommen: Sie soll Reden halten, Schirmherrin sein für Wohlfahrtsorganisationen, Botschafterin für gute Zwecke. Sie habe zwar ein Kindermädchen und auch eine Assistentin. Aber wenn sie wirklich für ihre Kinder da sein will, dann ist ihr das zu viel. Sie fühlt sich überfordert.

Jetzt ist ein shitstorm über sie hereingebrochen. Sie soll sich nicht so anstellen, heißt es, und dass sie eine jämmerliche Versagerin sei, die Hilfe sucht.

Natürlich – im Vergleich zu anderen Müttern, die ganz ohne Hilfe Beruf und Familie vereinbaren müssen, geht es ihr gut. Aber ihr Fall macht klar, warum so viele Frauen und sicher auch Männer gar nicht wagen, sich öffentlich zu beklagen. Wer will schon als jämmerlicher Versager verurteilt werden?

Ich frage mich: Wer gibt den Empörten im Netz das Recht, zu beurteilen, was Frauen und Männer schaffen müssen? Ob die, die da so hämisch twittern und posten noch nie an einer Aufgabe gescheitert sind? Ob ihnen noch nie etwas zu viel war? Ist es ein Wunder, wenn viele meinen, sie müssten einfach alles allein schaffen und dann irgendwann fix und fertig sind? Warum gehen wir so gnadenlos mit denen um, die zugeben, dass sie sich überfordert fühlen?

Manchmal denke ich, es liegt an der weit verbreiteten Gottlosigkeit. Viele glauben nicht mehr an Gott. Aber wer Gott nicht braucht, der muss alles selber auf die Reihe kriegen. Und vor allem: Wer Gott nicht braucht, der macht sich leicht selbst zum Richter über andere.

Ich glaube, dass nur Gott Menschen beurteilen kann. Er ist der Richter über seine Geschöpfe. Und wenn ich Jesus richtig verstanden habe, dann ist er verständnisvoll und barmherzig und vergibt Fehler. Gott beurteilt die Menschen nicht danach, was sie geleistet haben. Dass sie das glauben und ihm vertrauen, dass ist wichtig. Denn dann können Menschen tun, was sie können – und können auch sagen: das schaffe ich nicht. Das ist mir zu viel. Ich brauche Hilfe. Und trotzdem aufrecht und frei leben.

Offensichtlich war das den Menschen schon immer ein Problem. Es ist leichter, andere als Versager zu verurteilen als sich zu überlegen, wie man helfen kann. Deshalb werden schon in der Bibel die ersten Christen ermahnt: „Seid gütig und barmherzig zueinander. Vergebt einander, wie Gott euch durch Christus vergeben hat“ (Eph 4, 32)

Ich glaube, so könnten wir besser miteinander leben, weil: Wenn mir alles zu viel wird – dann kann ich das sagen und finde Verständnis.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22246
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