Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Nur aus der Schrift“ kann man von Gott erfahren. Das war eines der Grundprinzipien der Reformation. Nur die Schrift, die Bibel also redet zuverlässig von Gott. Darauf hat Martin Luther sich berufen, als er vor dem Kaiser und den Mächtigen des Deutschen Reiches seine neue Lehre verteidigt hat. „Wenn ich nicht durch Zeugnisse der Schrift überwunden werde…“ hat er damals gesagt.

Nicht also die Lehren der Theologen, nicht die Geschichten und Legenden von Heiligen und auch nicht die wundersamen Eingebungen mystisch veranlagter Menschen – nur die Bibel kann Auskunft geben, wer Gott ist.

Aber ist das nicht starr und leblos, so ein Buchstabenglaube? Später haben sich die Menschen Bibelstellen um die Ohren geschlagen und jeder hat auf seiner beharrt und glaubte sich im Recht. Kein Wunder, dass viele bis heute genug haben von solchen Rechthabern und ihrer Bibel.

Aber genau das ist die Bibel ja nun eben nicht: Ein Buch für Rechthaber, wo man einfach nachschlagen muss und dann die ewig richtige Auskunft bekommt. Die Bibel ist ein Buch mit lauter Zeugenaussagen. Menschen haben aufgeschrieben, was sie von Gott und über Gott erfahren haben. Und wenn man die Bibel befragt, dann ist das wie bei Gericht: Man hört von den Zeugen verschiedene Beobachtungen und Sichtweisen und Deutungen des Geschehens. Dazwischen muss man die Wahrheit suchen. Und im Zusammenspiel der verschiedenen Aussagen kommt zutage, was die Wahrheit ist. Kein Zeuge und kein Zeugnis hat für sich allein die ganze Wahrheit. Wer genau beobachtet hat, kennt vielleicht die Vorgeschichte nicht. Und wer die Vorgeschichte kennt, der weiß nicht, was am Ende daraus geworden und was passiert ist.

So bietet die Bibel mit ihren 66 Büchern mehr als ein Jahrtausend Erfahrungen mit Gott in menschlichen Zeugnissen. Abraham, der seine Heimat verlassen hat, ein ganzes Volk, dass unterdrückt war und frei geworden ist, Propheten, die im Namen Gottes unmenschliche Zustände kritisiert haben, Jesus, der von sich gesagt hat: „Wer mich sieht, sieht den Vater“ – das alles sind Erfahrungen, von denen Menschen erzählt haben. Andere haben das aufgeschrieben und oft schon dazu gegeben, was es für ihr Leben bedeutet. Und viele, die die Erfahrungen der Bibel gelesen haben, haben ihr eigenes Leben und ihre eigenen Erfahrungen wieder erkannt.

Und jetzt kann ich diese verschiedene Zeugen befragen und meine Erfahrungen dazu legen. Und nach der Wahrheit fragen. Mit den Widersprüchen der unterschiedlichen Zeugenaussagen muss ich leben. Und die Wahrheit suchen. Am besten im Gespräch mit anderen. Was wahr ist, findet man, wenn man verschiedene Aussagen miteinander vergleicht. Und dann irgendwann kann ich vielleicht sagen: Das ist wahr. Das glaube ich.

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