Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Die Welt wird gleich besser, wenn man einen freundlichen Menschen trifft. Ich habe das in einer Kirche gespürt. Dabei war der freundliche Mensch nicht einmal aus Fleisch und Blut, sondern aus Marmor:

Ich bin reingekommen in die Kirche. Und da steht er auf einem Sockel, ein freundlicher Priester, den linken Arm weit ausgestreckt, ganz grazil und leicht. Er weist mir und jedem Besucher den Weg nach vorn zum Altar. „Da geht’s lang, bitte schön. Da vorne gibt es richtig Gutes.“ Wie gesagt. Dieser freundliche Priester in der Kirche war eine Skulptur aus Marmor.

Wenn eine Skulptur einen Ort schon freundlich machen kann. Wie dann erst ein lebendiger Mensch. Warum fällt vielen das so oft schwer? Warum bin ich auch immer wieder mürrisch. Reagiere ungnädig.

In letzter Zeit ist mir eine besondere Art aufgefallen wie Menschen unfreundlich sein können. Auch an mir selbst. Man will „professionell“ sein und wird unfreundlich dabei.
„Professionalität“ ist wichtig, sie bringt Qualität. Aber manchmal können Profis andere herabsetzen und die Welt unfreundlich machen.

Beispiel: In meiner Arbeit treffen manchmal wir „Medienprofis“ auf Menschen, die wenig Erfahrung vor dem Mikrofon oder gar einer Kamera haben. Die wirken dann oft „unprofessionell“: Sie verkrampfen, reden nicht radiomäßig. Und genügen leicht den Ansprüchen von professionellen Machern und anscheinend den Ansprüchen des Publikums auch nicht. Unsere Berufswelt ist hochkomplex. Und Professionalität ist nötig. Unsere komplexe Welt braucht Qualität.

Aber es ist „Unfreundlichkeit“, die Menschen herabsetzt, wenn man dann als „Profi“ urteilt: „Mit so einem kann man doch nicht zusammenarbeiten.“ Oder: „Diese Praktikantin lernt es nie.“ Ich weiß, solche herabsetzenden Urteile über andere kommen nicht nur in der Medienwelt vor. Ich vermute, Sie kennen in Ihrem Beruf und in Ihrer Umgebung auch unfreundliche „Profis“.

Dabei: Die Welt wird gleich besser, wenn man einen freundlichen Menschen trifft. Wie den Priester aus Marmor, der mir in der Kirche den Weg nach vorne gewiesen hat. Oder wie letzte Woche. In einer Bäckerei. Eigentlich hatte ich mir geschworen, ‚da gehe ich nicht mehr hin‘. So unfreundlich wie der Service da ist. Aber dieses Mal ist auf einmal eine Neue da. Ein freundlicher Profi. Sie schaut mich lächelnd an. Offen, ins Gesicht. Sie spricht mich an. Fühlt sich nicht belästigt, weil ich mein Brot geschnitten haben will. Und zum Abschied gibt es ein freundliches, heiteres: „Schönen Mittag.“ So leicht ist es, unsere Welt zu einem besseren Ort zu machen. Gerade für Profis.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22163
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