Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Warum bin ich so gerne an Orten, die ich kenne? Nach Pfingsten war ich in einem kleinen Ort, wo ich schon zig mal ein paar freie Tage verbracht habe. Alles ist wie immer gewesen. Dass mir alles so vertraut ist, entspannt mich ungemein. Es ist jedes Mal mehr oder weniger dasselbe, es gibt kaum Überraschungen oder Neuigkeiten. Dabei komme ich mir zunehmend ein bisschen vor wie ein alter Mann, der nichts Neues mehr ausprobieren will, weil er Sicherheit braucht. Und ich ärgere mich über meine Unbeweglichkeit, die ich mir dann vorwerfe. Trotzdem siegt zuletzt meistens die Sehnsucht nach dem Bekannten, dem Vertrauten. Warum ist das so?

Ich glaube, es hat etwas damit zu tun, dass ich an so einem Ort schöne Erfahrungen gemacht habe. Die wiederholen zu können, das liegt eben auf der Hand. Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass es wieder dazu kommt. Und das ist eine gute Aussicht. Im Grunde liegt dem etwas ganz Simples zugrunde. Ich rechne mir aus, wie ich erneut zu dem komme, was schön ist, was mir gut tut und gefällt. Wo könnte das sein? Was muss ich dafür tun? Und da liegt es ganz nahe, etwas zu tun, was ich schon kenne.

Noch ein zweiter Grund fällt mir ein. Ich kehre gern an die Orte zurück, wo ich einen Teil meines Lebens verbracht habe. Sie gehören zu mir. Zweimal bereits bin ich an dem kleinen Ort, wo ich gerne bin, ans Telefon gerufen worden, um vorzeitig nach Hause zu kommen. Das erste Mal war gerade meine Großmutter gestorben. Beim anderen Mal war's mein Vater, der angerufen hat, um mir zu sagen, dass er unheilbar an Krebs erkrankt ist. Das sind schlimme Erinnerungen. Aber sie gehören zu mir, sehr sogar. Und sie sagen etwas darüber aus, dass ich auch schlimme Dinge meistern kann. Auch das verbinde ich mit diesem vertrauten Stückchen Erde.

Mein Leben besteht aus Wiederholungen. Wie oft gehe ich dieselbe Strecke im Wald spazieren. Wie oft sage ich die gleichen Worte. Wie oft rege ich mich über das auf, was mir schon ungezählte Male vorher passiert ist. Mein Leben besteht aus Wiederholungen. Das ist eine Binsenweisheit. Aber je mehr ich sie akzeptiere, um so mehr entdecke ich das Schöne an ihnen, das mich fast unbemerkt als Person wachsen lässt.

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