Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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London hat Anfang Mai einen neuen Bürgermeister gewählt, und Stuttgart seit wenigen Wochen eine neue Landtagspräsidentin. Beide sind Muslime. Und beide haben familiäre Wurzeln, die nicht in Deutschland liegen. Das ist neu: dass Kinder von Menschen, die früher „Ausländer“ genannt wurden,so ein hohes politisches Amt übernehmen, eine Führungsrolle. Menschen, die aus Pakistan stammen wie Mr. Khan, dem neuen Bürgermeister von London, oder wie Frau Aras, der neuen Landtagspräsidentin, deren Familie aus der Türkei nach Deutschland gekommen ist. Dass sie in diese Ämter gekommen sind, zeigt, dass sie sich bestens integriert haben. Das gibt es eben auch. Und dafür stehen diese beiden Personen ausdrücklich.

Allerdings gibt es auch Menschen bei uns, denen das ganz und gar nicht behagt. Dieses Fremde, das man der Sprache vielleicht nicht mehr anhören kann, aber eben noch sieht - an den Haaren, an der Hautfarbe. Und dann noch die fremde Religion: dass die beiden Politiker Muslime sind, macht sie automatisch zum Teil jener sogenannten Islamisierung, die von manchen wie der Teufel an die Wand gemalt wird. Wenn Millionen von Muslimen in Europa leben, gibt es für mich nichts zu diskutieren: Der Islam ist Teil unserer Gesellschaft.Und wir tun gut daran, etwas über ihn zu wissen, ihn zu verstehen, statt blindlings abzulehnen. Und die Muslime tun gut daran zu wissen, was geht und was nicht in einem demokratischen und freiheitlichen Staat. Mr. Khan und Frau Aras wissen das. Auch aus diesem Grund sind sie in ihre Ämter gewählt worden. Mit Islamisierung hat das überhaupt nichts zu tun.

Immer wieder fragen mich Leute, ob mir das nichts ausmacht. Mir als Christ, als Priester. Dass der Islam bei uns auf dem Vormarsch sei. Schließlich seien wir doch ein christliches Land, und unsere Werte stünden auf dem Spiel. Ja, die stehen immer auf dem Spiel. Das stimmt. Aber sie werden nicht dadurch bewahrt, dass man sich gegen das Andere, Fremde abgrenzt, sondern indem man selbst etwas dafür tut. Zum Beispiel: Sich dafür einsetzen, dass jeder seine Meinung sagen darf, ohne dass er etwas zu befürchten hat. Dafür Politik machen, dass jeder das hat, was er zum Leben braucht. Gott nicht für seine egoistischen Interessen missbrauchen, sondern jedem das Recht zugestehen, zu glauben, wie er will, oder nicht will. Wer so handelt, der überzeugt. Egal, ob er Christ ist oder Muslim.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22121
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