Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Hat Jesus Wasser in Wein verwandelt? Konnte er über den See Genezareth gehen ohne unterzugehen? Und Kranke wieder gesund machen? Und und und. In der Bibel stehen eine ganze Menge solcher Geschichten. Die Menschen haben offensichtlich damals daran geglaubt, dass Jesus Wunder vollbringen konnte. Heute ist das alles andere als selbstverständlich. Meistens begegnen mir erhebliche Vorbehalte, wenn es in einem Gespräch darum geht. An einen, der die Naturgesetze aus den Angeln hebt, will niemand glauben. Andererseits kommt das Wort „Wunder“ im alltäglichen Sprachgebrauch gar nicht so selten vor. Es heißt dann etwa: „Das ist ja wunderbar!“ Oder: „Es ist ein Wunder, dass Dir da nicht mehr passiert ist.“ So ganz ausgestorben scheinen die Wunder demnach nicht zu sein. Oder kann man die Wunder, die in der Bibel von Jesus berichtet werden, einfach nicht mit dem vergleichen, was wir aufgeklärte Menschen so landläufig als Wunder bezeichnen?

Wenn wir sagen, dass etwas wunderbar ist, meinen wir: Es ist besonders schön. So schön, dass es uns auffällt und wir es kaum fassen können. Ein Wunder ist für uns etwas, das überraschend geschieht. So hatten wir das nicht erwartet. Es ist einfach passiert. Und es ist gut, sehr gut, dass es gerade so passiert ist. Ein Kranker ist am Leben, obwohl die Ärzte ihn schon „abgeschrieben“ hatten. Jemand hat mit dem Auto einen schlimmen Unfall und wird kaum verletzt. Einer spekuliert, welches Thema in der Prüfung dran kommt. Und: tatsächlich! Ich habe die Rosen in meinem Garten vernachlässigt, aber sie blühen trotzdem, wunderbar.

Womöglich sind die Wunder der Bibel doch nicht so weit von dem entfernt, was wir heute unter einem Wunder verstehen. Immer geht es um etwas, das völlig überraschend gut wird - und - ohne dass ich oder jemand anderes das Entscheidende dafür getan hat. Das ist so, wenn Jesus einen Kranken heilt. Und es ist auch so, wenn mir etwas geschieht, obwohl es nie danach ausgesehen hat.

Ich habe im Laufe der Jahre gelernt, Wunder als etwas zu betrachten, was zum Leben gehört. Vor zweitausend Jahren, als Jesus gelebt hat, war das Leben anders als heute. Aber zu erfahren, dass etwas gut wird, obwohl keiner damit gerechnet hat, das bleibt. Und es macht das Leben reich und schön.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22120
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