Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Das tut man nicht! Der Satz ist ziemlich aus der Mode gekommen. Als ich Kind war, durfte man „doof“ nicht sagen, „Du Arschloch“ schon gar nicht. Warum eigentlich? Das hat damals niemand erklärt. „Das tut man nicht“ hat genügt. Manche Kraftausdrücke gehen mir bis heute nicht über die Lippen.

Die unbegründeten Verbote und den Satz „das tut man nicht“ haben wir über Bord geworfen. Inzwischen wird Jan Böhmermann für sein unsägliches Gedicht von vielen gelobt, in dem er fäkale und andere Grobheiten aneinander reiht.

Selbstverständlich ist die Meinungsfreiheit ein hohes Gut. Selbstverständlich gibt es vieles, das kritisiert werden muss, auch und gerade Politiker. Aber ich finde, da muss man sich schon ein bisschen mehr Mühe geben. Bloß zu sagen: „So ein Arschloch!“ – das hilft nicht weiter.

Und wie soll ich einem Kind erklären, dass es „du Schwuchtel“ nicht sagen darf und auch nicht „du Opfer“ oder „du bist ja behindert“, wenn Böhmermann für viel extremere Ausdrücke gelobt wird?

„Du Opfer“ oder „du Schwuchtel“ und auch die Ausdrücke im Gedicht von Böhmermann sollen andere lächerlich machen. Ich finde, das ist der Punkt. Wer so redet, will anderen wehtun. Will beleidigen. Da ist es unerheblich, wenn er vorher sagt: Ich weiß schon, dass man das eigentlich nicht darf.

Ich verstehe gut, wenn sich der 15jährige verletzt fühlt, über den ein Mitschüler bei facebook „alte Schwuchtel“ schreibt. Denn der hat es verletzend gemeint. Ich finde es richtig, wenn Lehrer und Eltern das nicht dulden. Da kann man nicht sagen: Das ist das Problem von dem, der beleidigt wird. Der soll sich nicht so anstellen.

Wie wir als Menschen miteinander umgehen, dass sollte sich an denen orientieren, die verletzbar sind und dünnhäutig. So sieht das  auch der Apostel Paulus. Der bittet die Christen, Rücksicht auf die Schwachen zu nehmen (1. Kor 8,9), auch wenn sie selbst das in manchen Dingen vielleicht übertrieben finden. Nicht die Kraftausdrücke und Grobheiten sind Ausdruck von Stärke, sondern die Fähigkeit, Rücksicht zu nehmen.

Ich gebe zu: Ein Staatspräsident ist etwas anderes als ein dünnhäutiger 15jähriger. Vom Staatspräsidenten könnte man  mehr Selbstsicherheit erwarten und die Freiheit, seine Politik auch kritisieren zu lassen. Wenn er nicht gegen alles und jeden die Gerichte bemühen würde, würde wahrscheinlich keiner mehr über ein schlechtes Gedicht reden.

Trotzdem, und gerade wegen der 15jährigen finde ich: Manches sollte man nicht tun. Aus Rücksicht auf andere. Weil Menschen andere nicht bewusst verletzen sollten: nicht mit Fäusten und nicht mit Worten.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21932
weiterlesen...