SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.
Ein starkes und berührendes Bild, das Geborgenheit vermittelt. Bilder kommen mir aus der Kindheit in den Sinn, an frühkindliche Tränen, wenn ich schlecht geträumt oder Angst bei Gewitter hatte und wie mich meine Mutter getröstet hat. Es ist die Ursituation des Trostes, zählt zu den elementaren Grunderfahrungen des Lebens. So wie es Erich Kästner einmal ausgedrückt hat: Vierzig, nicht fünfzig spätere Jahre des Lernens und Erfahrens können den seelischen Feingehalt des ersten Jahrzehnts aufwiegen. Ich kann mich selbst nicht trösten. Die Erfahrung mütterlichen Trostes ist ein Trost, der bis heute in all der schrecklichen Untröstlichkeit der Welt trägt.

Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet. Dieses Wort – die diesjährige Jahreslosung in den evangelischen Kirchen - stammt aus dem Buch Jesaja. Der Prophet erzählt von der Deportation und Gefangenschaft der jüdischen Oberschicht durch die Babylonier, wie demütigend und schrecklich das Leben in der Fremde war. Tröstet, tröstet mein Volk, spricht Gott! Im Exil war Trost und damit die Hoffnung auf Veränderung immer schon ein großes Thema.

Und heute? Ich weiß nicht, wie viele Tränen Menschen in den Kriegsgebieten dieser Welt und auf der Flucht geweint haben - um ihre Angehörigen, ihre Heimat und um ihre hoffnungslose Zukunft. Man lässt den Auszug aus der Heimat nicht unbeweint, hat Christa Wolf im Roman Kindheitsmuster geschrieben.

Wenn ich die abendlichen Bilder aus den Kriegsgebieten dieser Welt sehe, an die furchtbaren Einzelschicksale flüchtender Menschen denke, frage ich mich, wer tröstet sie? Auch wenn es schwierig ist zu trösten, brauchen diese Menschen besonderen Trost und reale Hoffnung in den Herausforderungen ihres Alltags. Trost kann das Verlorene nicht aus der Welt schaffen. Verlust und Schmerz bleiben. Aber vielleicht könnte es trösten und Hoffnung geben, wenn sie das Gefühl haben könnten: Wir lassen sie nicht allein. Dazu braucht es Menschen, die nicht vertrösten, sondern sie ankommen lassen und den weiteren Weg mit ihnen teilen. Dazu braucht es Menschen, die sich vom Leid des anderen nicht vertreiben lassen, sondern die spezielle Lage dessen, der leidet, mitdenken. Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.

Wenn Trost in unserer Welt im Sehen, Hören und Tun erfahrbar werden soll, dann muss es konkret geschehen. So wie es  Meister Eckhart sagt: Immer ist der wichtigste Mensch der, der dir gerade gegenübersteht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21861
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