Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Heute treffen sich wieder die Tarifparteien der Metall- und Elektroindustrie. Sie verhandeln über eine Erhöhung der Löhne und Gehälter. 

Wenn´s nach mir ginge, würde ich den Verhandlungstag mit einer Bibelarbeit beginnen. „Mit dem Reich Gottes ist es wie mit einem Arbeitgeber...“ Ja – das ist jenes ärgerliche Gleichnis von den „Arbeitern im Weinberg“ (Matthäus-Evangelium 20,1-16). 

Der biblische Wengerter dort geht an diesem Tag fünfmal auf den Marktplatz, das Arbeitsamt von damals, und sucht Arbeitswillige. Denen bietet er den üblichen Tageslohn von einem Denar. Und schon geht’s los: Die einen beginnen früh am Morgen und schuften den lieben, langen Tag. Die letzten haben sich – warum auch immer – erst nachmittags noch für ganze zwei Stunden ins Zeug gelegt. Und nun kommts: Diese „Minderleister“, wie man sie heute wohl verächtlich nennen würde, erhalten denselben Lohn wie die Vollzeit-Jobber.  

Ich sehe schon, wie beide Parteien in seltener Eintracht empört von ihren Stühlen aufspringen. Es wird wild gestikuliert und durcheinandergeschrieen: Nicht tariffähig! Gleichmacherei! Ungerecht – nicht mit uns! Leistung muss sich wieder lohnen!  

Falls es nicht gleich zum Abbruch der Verhandlungen käme, müsste man nun einfühlsam den Sinn dieser Botschaft erschließen. Und der lautet ganz einfach: Es darf gar keinen Lohn geben, der nicht den täglichen Bedarf abdeckt. 

 Ach so – aber wie steht es dann um das Heer der Niedriglöhner bei uns im Land? Hunderttausende – wenn auch nicht in der Metallindustrie – erzielen mit ihrem Lohn nicht einmal das Existenzminimum. Die „Entgeltrichtlinie“ dieser biblischen Erzählung fordert daher, vor allem die unteren Einkommensgruppen spürbar anzuheben. Und  dass bei uns im Ländle die Frauen immer noch 25 % weniger verdienen als die Männer, das geht schon mal gar nicht! 

Ich frage mich auch: Wie kann es sein, dass der Arbeitstag eines Spitzenmanagers gleich hundertemal wertvoller ist als der seiner Putzhilfe? Für eine solche „Lohnspreizung“ - was für eine hübsche Wortschöpfung – hätte diese biblische Erzählung absolut kein Verständnis! 

Gerne würde ich heute Abend hören, die beiden Tarifparteien hätten sich im Bemühen um den „gerechten Lohn“, den die Bibel fordert, zumindest einander angenähert.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21787
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