Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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An einem Kreisverkehr direkt am Stadtrand von Schwenningen steht ein großes Wegkreuz. Ein Kreuz aus Holz mit einer lebensgroßen Jesusfigur daran und einem spitzen Dach darüber. Normalerweise stehen solche Kreuze an Feldwegen oder im Wald, irgendwo, wo es ruhig ist. Auch das Kreuz am Kreisverkehr hat früher an einem Waldweg gestanden. Doch dann ist mitten durch den Wald eine Umgehungsstraße und mit ihr der Kreisverkehr gebaut worden. Das Kreuz hat man stehen lassen. Und seitdem schaut Jesus auf den Kreisverkehr.

Was er da alles sieht! Menschen, die morgens früh, meist in Eile, zur Arbeit fahren. Später dann die Nicht- oder Nicht-mehr-Berufstätigen, die gemächlicher zum Einkaufen oder zum Arztbesuch in die Stadt müssen. Am Wochenende die Eishockeyfans, die voll Vorfreude zum Spiel ihres Vereins fahren und oft enttäuscht wieder zurückkommen.

Manchmal überlege ich: Ob sich Jesus wohl den alten Waldweg zurückwünscht? Wo es ruhig war und nur ab und zu ein Spaziergänger vorbeigekommen ist? Ich glaube nicht. Ich glaube ihm gefällt es am Kreisverkehr. Schon die Bibel erzählt: Jesus wollte da sein, wo das Leben ist. Und ich glaube, das ist heute auch noch so: Jesus möchte den Menschen nahe sein, nicht nur beim Sonntagsspaziergang, sondern mitten in ihrem Alltag. Er möchte Anteil nehmen an ihrer Freude und ihrem Glück und ihnen in ihrer Trauer und ihren Sorgen helfen.

Seit acht Jahren fahre ich mindestens zwei Mal am Tag über den Kreisverkehr und an Jesus und seinem Kreuz vorbei. Aufgefallen ist er mir aber erst vor ein paar Wochen. All die Jahre habe ich Jesus einfach übersehen. Ich vermute, dass es den allermeisten Autofahrern genauso geht wie mir.

Für mich ist dieses Wegkreuz am Kreisverkehr inzwischen ein Bild geworden: Gott ist mir in meinem Alltag ganz nah. Aber ich übersehe ihn häufig. Ich schlage mich allein mit meinem Ärger herum, und die Sorgen wachsen mir über den Kopf. Dabei könnte Gott mir bei meinen Sorgen und meinem Ärger helfen. „Wirf deine Last ab, übergib sie dem Herrn; er selber wird sich um dich kümmern!“, rät ein Psalm in der Bibel (Psalm 55,23 Gute Nachricht Übersetzung).

Ursprünglich waren Wegkreuze Erinnerungen. Sie haben die Passanten erinnert, inne zu halten und ein Gebet zu sprechen. Ich denke, das könnte dieses Kreuz am Kreisverkehr immer noch sein – für mich und für andere. Wenn ich daran vorbeifahre, erinnert es mich an Gott. Und ich kann ihm dann – mitten im Alltag – etwas von dem erzählen, was mich gerade bewegt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21762
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