Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Sacré-Coeur in Paris. Die mächtige weiße Kuppelkirche ganz oben auf dem Montmartre ist nicht zu übersehen. Und traumhaft auch der Blick von dort oben auf die Dächer von Paris. Vor bald 140 Jahren wurde mit dem Bau von Sacré-Coeur begonnen. Er vereint in sich romanische, gotische und byzantinische Stilelemente. 

So imposant das Monument heute auf den Betrachter wirkt – so fragwürdig waren die Gründe, warum die Kirche gebaut wurde. Gedacht war an eine Pilgerkirche. Man wollte darin mit Buß- und Sühneveranstaltungen ein Zeichen setzen gegen das „Sündenbabel“ zu Füßen der Basilika. Sprich: ein Zeichen setzen gegen „Moulin Rouge“, das Rotlichtmilieu und das unbürgerlich-leichte Künstlerleben auf dem Montmartre im 19. Jahrhundert. 

Eine fromme Gefahr, der Gläubige immer wieder aufgesessen sind, weil manch kirchliche Obrigkeit so etwas heftig geschürt hat: Die Angst vor einem strafenden Gott. Verbunden mit Vorstellungen, als ob Gott wegen solch freizügigem Treiben beleidigt sei und nun durch Buße und Sühne besänftigt und gut gestimmt werden müsste. Was für ein Zerrbild von Gott! 

Derartige Vorstellungen widersprechen auch zutiefst dem Reden und Wirken Jesu. Wie ich Jesus verstehe, vermittelt er ein Bild von Gott, in dem Gott nichts für sich will, aber alles für uns - und das aus Liebe. So spekuliert Jesus auch nicht darüber, woher die Abgründe und die Schattenseiten im Menschen kommen. Sein Weg ist der Weg unerschütterlicher Barmherzigkeit. Für ihn ist wichtig, zu helfen und zu heilen. Menschen aus ihren äußeren und inneren Gefängnissen zu befreien. Ihnen ihre Ängste zu nehmen. Jesus geht es darum, alle heilsamen und befreienden Kräfte zu mobilisieren, die es gibt – vor allem die Liebe. 

Genau in diesem Geiste kümmern sich heute die Ordensschwestern von Sacré-Coeur vor allem um die Bildung von Mädchen und Frauen. 

Oder die Bewegung „Emmaus“, die sich einsetzt für HIV-Kranke und Drogenabhängige, für Obdachlose, Prostituierte und Straßenkinder. Diese Bewegung hatte Abbé Pierre gegründet, Kapuzinermönch und Vater der Obdachlosen von Paris (1912-2007). Was mich bewegt, ist ein Satz aus seinem Testament: „Worauf es heute ankommt, ist nicht der Unterschied zwischen Gläubigen und Ungläubigen, sondern zwischen Menschen mit Herz und denen ohne Herz.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21645
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