Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Im Sendegebiet des SWR sind die Bürger heute zur Wahl aufgerufen. Aber: Vor 10 Jahren ist in Baden-Württemberg fast die Hälfte der Wähler nicht zur Urne gegangen. Das letzte Mal ein Drittel. In Rheinland-Pfalz waren es jeweils um die 40% Nichtwähler. Als Christ macht mir diese hohe Anzahl von Nichtwählern Sorgen, denn mein christlicher Glaube hat immer auch etwas mit gesellschaftlichem Engagement, also mit Politik zu tun.
In meiner Jugendzeit und als Student war ich in der katholischen Jugendarbeit engagiert. Damals hat uns ein Slogan stark beschäftigt: „Je mystischer, desto politischer.“ Wir haben heftig diskutiert, was das heißen könnte und schließlich hat die Diözese Rottenburg-Stuttgart diese Formel übernommen und formuliert: "Je mystischer Christen sind, desto politischer werden sie sein". Das bedeutet: In einer demokratischen Gesellschaft gibt es keine „Zuschauerchristen“. Der Theologe Paul Zulehner hat diesen Begriff geprägt. Christen, sind parteiisch und nicht ausgewogen. Christen halten sich nicht aus der Politik heraus. Christen beziehen Stellung. „Wäre Jesus unpolitisch gewesen“, sagt Zulehner provokant, „wäre er als Prälat seiner Kirche im Bett gestorben.“ Jesus hat sich engagiert für die Armen, Kranken und Schwachen. Das war die logische Konsequenz aus seinem tiefen Glauben. Sein politisches Handeln aufgrund seiner Mystik war eindeutig parteiisch.
Als Christ heute politisch sein, heißt: sich stark machen für eine gerechtere Verteilung der Lebenschancen. Jeder Mensch, ob Einheimischer oder Flüchtling, hat ein Recht auf Nahrung und Wohnen, Bildung und Arbeit; auch das Recht, seinen Glauben öffentlich ausüben zu dürfen, egal welche Hautfarbe oder welche Religion er hat.
Heute wird in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und in Sachsen-Anhalt gewählt. Da zeigt sich, dass es die ideal-christliche Partei nicht gibt. Christliches wird einmal mehr in der einen und dann wieder in der anderen Partei besser vertreten. Aber deshalb nicht wählen zu gehen ist die schlechteste Alternative, denn es gilt, christliche Werte zu verteidigen. Die Bewahrung der Schöpfung, ein friedliches Miteinander und die gerechte Verteilung von Ressourcen. Das macht sich nicht von alleine. Auch Werte wie freie Meinungsäußerung, Religionsfreiheit, Gewaltfreiheit und das Recht auf Asyl brauchen Volksvertreter, die diese Werte glaubhaft verkörpern.
„Einigkeit und Recht und Freiheit sind des Glückes Unterpfand“ singen wir in der deutschen Nationalhymne. Wer diese Werte verteidigen will, wer ein glückliches Land mit demokratischen Regeln haben will, der hat heute die Chance dafür seine Stimme in die Waagschale zu legen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21619
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