Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Die Reichen leben auf Kosten der Armen. Kein Wunder, dass die Ordnung der Welt aus den Fugen gerät. Müsste es nicht eigentlich umgekehrt sein?

Die Bibel erzählt, dass Nathan, ein Prophet, seinem König diese Frage stellt. Er will ihm den Spiegel vorhalten und erzählt ihm deshalb von einem reichen Mann, der alles hat. Aber als Gäste kommen, lässt er  seinem armen Nachbarn das einzige Lamm wegnehmen und bewirtet damit seine Gäste. Als der König das hört, gerät er in Rage: „Unmöglich“, sagt er. „So gerät die Welt aus den Fugen. Der Mann soll vierfach zurückgeben, was er gestohlen hat“. (2. Sam 12, 1-7)

Nathan hat das damals seinem König erzählt, weil der selber Unrecht getan hat. Und der hats kapiert. Manchmal denke ich, Nathan könnte auch mir heute seine Geschichte erzählen, vielleicht sogar uns allen, hier im wohlhabenden Europa: Wir trinken Kaffee und Tee, tragen preiswerte Kleider, benutzen Handys mit seltenen Mineralien darin – und die das alles anbauen und abbauen und produzieren, die können nicht von ihrer Arbeit leben. Was wir uns leisten können – das geht auf ihre Kosten.

Und jetzt wundern wir uns, wenn die Leute ihrer Armut entfliehen wollen und schließlich vor unserer Tür stehen – besser gesagt an unseren Grenzen. Die Welt ist aus den Fugen, sagen dann viele. Und wahrscheinlich muss man zurück fragen: Ist sie das nicht schon längst? Und wir haben es bloß nicht sehen wollen?

Wie ist das mit dieser Gier, die immer mehr haben will und alles so billig wie möglich? Der König damals wusste genau, dass es nicht recht ist, einem anderen etwas wegzunehmen. Er hat es doch getan. Ich weiß auch, dass der Kaffee, den ich kaufe, zu billig ist und das T-Shirt auch. Ich tue es trotzdem.

Aber würde es denn etwas helfen, wenn ich es nicht tue? Wenn ich verantwortlicher einkaufe? Nur noch den Kaffee und die T-Shirts, der fair gehandelt werden? Ein bisschen hilft es vielleicht – irgendwo gibt es eine Genossenschaft, und die Bauern können von ihrem Kaffee leben – weil ich mehr dafür bezahle. Aber das ist weniger als ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Welt ist aus den Fugen. Die Armen sind unterwegs, weil sie auch mehr haben wollen.

Kann das anders werden? Können wir Menschen uns ändern? Dass wir den Armen zurück geben, was wir ihnen genommen haben? Ich weiß es nicht.
Aber ich erinnere mich: Zur Zeit jenes Königs, da haben die Menschen gebetet: „Schaffe in mir Gott ein reines Herz. Und einen neuen Geist gründe fest in mir. Schick mich nicht fort von deinem Angesicht. Und nimm deinen Heiligen Geist nicht weg von mir. (Ps 51, 12f)

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