Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Eine junge Frau hat mir einen Brief geschrieben. Sie studiert Berufspädagogik im Gesundheitswesen und hat sich intensiv mit Altenpflege beschäftigt. In ihrem Brief erzählt sie, welche Gründe es gibt, dass ein alter Mensch in ein Heim kommt.

Wenn ein älterer Mensch dement wird, macht das ein weiteres Zusammenleben mit ihm in der Familie häufig unmöglich.  Es können aber auch scheinbar banale Gründe vorliegen: zu wenig Platz für ein Pflegebett oder ein Rollstuhl, der es nicht bis in den dritten Stock einer Stadtwohnung „schafft“. 

Das ist alles nicht neu. Aber es hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verstärkt. Und gerade der Bedarf für alte Menschen wird in den kommenden Jahren weiter steigen, wenn meine Generation, die geburtenstärkste nach dem Zweiten Weltkrieg, ins Alter kommt. Im Jahr 2035 werden ca. 1,4 Millionen Menschen in Rente gehen, aber nur 500.000 ins Erwerbsleben eintreten. Das sind fast dreimal so viele. Diese Umkehrung des natürlichen Verhältnisses sollte allen zu denken geben, die für die Zukunft planen. Auf die Altenhilfe kommt jedenfalls eine große Herausforderung zu. 

Altenheime haben einen schweren Stand, obwohl sie eine so wichtige Aufgabe wahrnehmen. Pflegekräfte sind schlecht bezahlt und überbeansprucht. Ihre Arbeitszeit ist streng festgelegt. Zudem ist die Konkurrenz unter den Pflegediensten oft unerbittlich. Gute Einrichtungen können ihre Standards nicht halten, weil sie durch private Billiganbieter unter Druck geraten.

Und das, obwohl es doch bloß um eines gehen kann: Alten Menschen in unserem reichem Land einen guten Lebensabend möglich zu machen. Heime sind dafür eine Notlösung. Weil unser Zusammenleben sich so entwickelt hat, dass die Sorge für die Alten innerhalb ihrer Familien häufig nicht funktionieren kann. Es wäre besser im vertrauten Umfeld, bei nahestehenden Menschen. Ja. Aber es ist müßig darüber zu lamentieren. In den meisten Altenheimen wird großartige Arbeit geleistet. Sie verdient Respekt und mehr Solidarität aus Politik und Gesellschaft.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21524
weiterlesen...