Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Im Januar war ich auf einer Tagung mit 120 Männern. Dabei haben einige ein vertrauliches Gespräch mit mir gesucht. Fast immer war das Zusammenleben mit der Partnerin, der Ehefrau ein wichtiges Thema; manchmal das einzige. Die Männer haben davon erzählt, dass es kaum mehr Gefühle füreinander gibt. Das Feuer der Liebe ist im Laufe der Jahre erloschen. Man hat sich aneinander gewöhnt, oft aber auch aus den Augen verloren dabei. Ich merke den Männern an, dass sie darunter leiden. Sie vermissen die Zärtlichkeit von einst, die sexuelle Anziehung und gar nicht so selten überhaupt das Interesse an dem Menschen, der einmal das ein und alles für einen war. Das beruht oft auf Gegenseitigkeit. Daraus machen die Männer auch keinen Hehl: dass sie selbst sich zurück gezogen haben, ja, dass sie Schuld sind an dem Zustand, unter dem sie jetzt leiden, und der sie mit Sorge in die Zukunft blicken lässt. 

„Was kann ich dafür tun, dass es wieder besser wird?“ Oft stellen die Männer mir diese Frage. Und ich fürchte mich immer ein bisschen davor, weil ich keine Lösung für ihr Problem parat habe. Auf die Schnelle schon gar nicht. Die Not, die sie schildern, ist nicht neu, sondern oft Jahre alt und die Ursachen dafür liegen weit in der Vergangenheit. Da gab es einen Punkt, an dem die Rücksicht auf den anderen nachgelassen hat. Das Paar hat verlernt miteinander so zu sprechen, dass beide am Ende sagen können: „Ja, wir haben uns verstanden, wir sind jetzt einen Schritt weiter.“ Statt dessen erzählen die Männer davon, dass sich der gleiche „Mechanismus“ andauernd wiederholt. Wie ein kleiner Teufelskreis, aus dem sie nicht mehr heraus kommen. 

Manche Männer sagen am Ende, dass sie darüber noch nie mit jemandem gesprochen haben. Wie gut es ihnen getan hat, ihr Herz ausschütten zu können. Das entlastet mich, aber es macht mich gleichzeitig auch traurig. Die Paare haben oft nur noch wenige Jahre, bevor einer der beiden stirbt, meistens der Mann zuerst. Ich spüre die Riesensehnsucht bei ihnen, diese Jahre in Frieden zu leben, und eben am besten mit dem Menschen an der Seite, mit dem man gerne glücklich sein will. Wenn sie gegangen sind und ich mit mir allein bin, hoffe ich von Herzen, dass unser Gespräch ihnen Mut gemacht hat – Mut zu einem Schritt auf den anderen zu.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21522
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