Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Bin ich eine „Rabenmutter“? Ich habe gedacht, es wäre ausgestorben, dieses Wort. Habe gedacht, keine Mutter müsste sich mehr davon treffen lassen. Oder sich selbst damit unter Druck setzen.

Aber ich bin vor kurzem eines Schlechteren belehrt worden. Es lebt wohl doch noch, dieses deutsche Un-Wort.
„Bin ich eine Rabenmutter?“ Im Zug habe ich ungewollt ein Gespräch mitbekommen: Zwei Frauen. Anfang, Mitte 30 schätze ich. Eine erzählt, dass es heute Morgen zu Hause sehr stressig war. Ihr kleiner Sohn konnte nicht in die Kita. Wie sonst. Er hat Fieber. Sie haben es organisiert gekriegt, dass ihr Partner daheim bleiben kann. Aber trotz Papa, als sie gegangen ist, hat der Kleine bitterlich geweint. Wollte sie nicht gehen lassen. Und als sie das erzählt, kommt es aus ihr heraus. „Bin ich eine Rabenmutter?“ Halb Frage an die andere, halb Vorwurf an sich selbst.

Es beschäftigt mich. Dass dieses hartherzige Wort immer noch sein Gift verspritzen darf. Dabei war doch mit Händen zu greifen, dass sie eines ganz bestimmt nicht ist: ‚lieblos‘. Das ist das Gift in diesem Wort, dass eine Mutter, die nicht immer da ist, angeblich lieblos wäre.

Jesus hat einmal sehr eindringlich gewarnt vor solchen Worten. Da hat er über das Gebot „Du sollst nicht töten“ geredet. In seiner berühmten Bergpredigt. Und klar gemacht: Schimpfwörter können wirken wie Waffen. Verletzen und töten Seelen. Wenn man sie gegen andere einsetzt oder auch gegen sich selbst. Es gibt Worte, die gehören auf den Index. Ich finde, „Rabenmutter“ ist eines davon.

Der Kleine, von dem ich da im Zug gehört habe, war doch gar nicht allein. Der Vater war da. Und warum soll der Vater nicht auch trösten können wie eine Mutter? Anders vielleicht, aber trotzdem. Wieso soll der Vater nicht auch gut zureden können und die fieberheiße Stirn kühlen?
Und warum soll ein Papa nicht auch im Wartezimmer beim Kinderarzt sitzen können?

Einen kurzen Moment hat mich das sogar geärgert:
Warum glaubt sie, dass ein Vater nicht genügt? Ist es nicht Grund, froh zu sein, dass Väter heute da sein können für ihre Kinder und da sind. Und darum ist eine Mutter auch keine Rabenmutter, wenn sie arbeiten geht.

Sie sind keine „Rabenmütter“, wenn sie ihr Kind anderen Menschen anvertrauen und nicht immer rund um die Uhr selbst da sind. Kinder brauchen auch andere Liebe: Die von Vätern, von Großeltern oder die in der Kita.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21499
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