Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Manchmal wünsche ich mir, wir Evangelischen hätten auch einen Papst. So ging mir das beim Weltklimagipfel in Paris. Ich habe gelesen, dass Papst Franziskus dort eine wichtige Rolle gespielt haben soll. Der Beschluss von Paris wäre ohne ihn wohl nicht zu Stande gekommen. Erst sein Anruf bei einem südamerikanischen Staatschef hat diesen dazu gebracht, das Klimaschutzabkommen zu unterzeichnen.
Der Papst erinnert mich an die Propheten in der Bibel. Die Propheten haben die Menschen ihrer Zeit immer wieder an Gottes Willen erinnert. Besonders den Mächtigen und Herrschern haben sie die Wahrheit gesagt, auch wenn die oft unangenehm war. Sie haben ihnen offen gesagt, wenn sie die Armen unterdrückt haben oder dabei waren, das Land in eine Katastrophe zu führen. Sie konnten das so offen, weil sie sich nur Gott verpflichtet gefühlt haben. Sie wollten niemandem gefallen, und es war ihnen egal, was die Leute über sie gesagt haben. Ich finde: Solche prophetischen Stimmen sind auch heute wichtig. Stimmen, die ohne machtpolitische oder wirtschaftliche Hintergedanken die Wahrheit sagen. Stimmen, die auf keine Lobby oder auf Wahlausgänge Rücksicht nehmen müssen.
Ich finde, der Papst ist so eine Stimme. Und: Im Gegensatz zu vielen anderen prophetischen Stimmen, wird er auch gehört. Warum? Ich denke, ganz einfach, weil ihn die ganze Welt kennt. Jedes Kind kennt sein Gesicht und seinen Namen.
Ich finde es auch als evangelischer Christ gut, dass es so eine prophetische Stimme gibt, die nicht einfach überhört werden kann, wenn sie auf Missstände und Ungerechtigkeit hinweist. Oder wenn sie – wie in Paris – dazu mahnt, endlich konkrete Schritte zu gehen, um die Schöpfung zu bewahren. Durch Vieles, was der gegenwärtige Papst sagt, fühle ich mich gut vertreten.
Anderes gefällt mir dagegen weniger. Etwa, dass die Entscheidungen des Papstes in wichtigen Fragen des Glaubens immer noch als unfehlbar gelten. Unter anderem deshalb bin ich ganz bewusst und gerne weiter evangelisch.
Trotzdem frage ich mich manchmal, was Martin Luther – der Gründer der evangelischen Kirche – heute über den Papst sagen würde. Über die Päpste seiner Zeit hat er ja schlimm geschimpft. Aber es waren vor allem die Missstände - das Streben der damaligen Päpste nach Reichtum und Macht -, die Luther kritisiert hat. Einem Papst, der einen Gebrauchtwagen fährt, auf Goldschmuck verzichtet und in der Kantine isst, hätte wahrscheinlich auch Luther zugehört, und dieser Papst wahrscheinlich auch ihm.

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