Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Zwischen Weihnachten und Neujahr macht das Leben irgendwie eine Pause. Ich mag diese Tage. „Zwischen den Jahren“ nennt man sie. – Aber warum eigentlich? Zwischen den Jahren ist doch eigentlich gar kein Platz. Wenn das alte Jahr aufhört, fängt sofort das neue an, ohne Pause.
Das war einmal anders. Und zwar als Papst Gregor VIII vor über 400 Jahren einen neuen Kalender eingeführt hat. Der alte, der bis dahin gegolten hatte, war ungenau und ging zur Zeit Papst Gregors einige Tage nach. Der Frühlingsanfang im Kalender hat mit dem tatsächlichen, astronomischen Frühlingsanfang überhaupt nicht mehr zusammengepasst. Also hat Papst Gregor befohlen, ein paar Tage zu überspringen. Das Problem war aber, dass nur die katholischen Christen diesen Zeitsprung mitgemacht haben. Die Evangelischen haben sich stur weiter nach dem alten Kalender gerichtet. Mit allem, was vom Papst kam, wollten sie nichts zu tun haben – selbst wenn es richtig war. So war das damals – leider. Die Folge: Evangelische und katholische Christen, die in ein und derselben Gegend gelebt haben, hatten unterschiedliche Kalender. Und während das neue Jahr für die einen schon angefangen hatte, dauerte es noch ein paar Tage, bis es auch für die anderen soweit war. Und genau diese Zeit hat man dann „zwischen den Jahren“ genannt.
Seit 1776 haben alle wieder den gleichen Kalender. Trotzdem ist die Redewendung „zwischen den Jahren“ geblieben. Ich denke, weil viele Menschen diese Zeit tatsächlich als Zwischen-Zeit empfinden. Mir geht es auch so: Weihnachten ist ein Schlusspunkt. Die Adventszeit - dieser Jahresendspurt mit den vielen Feiern, den Einkäufe und Vorbereitungen - ist mit dem Heiligabend vorbei. Aber der Alltag mit seinen Verpflichtungen und Terminen startet erst wieder mit dem neuen Jahr voll durch. Es gibt nicht viel zu tun. Wenn ich in meinen Terminkalender kucke, steht da zwischen Weihnachten und Neujahr nichts drin.
Keine Verpflichtungen haben, nicht schon an den nächsten Termin und die nächste Aufgabe denken müssen – das tut gut. Es ist wie Anhalten und tief durchatmen. Danach kann es wieder weiter gehen. Hinein ins neue Jahr.
Atempausen sind wichtig - auch unterm Jahr. Und es gibt sie ja auch zum Glück. Jeder Sonntag kann so eine kleine Atempause sein: ein Tag zwischen der alten und der neuen Woche. Nur: Während zwischen den Jahren bei den meisten Menschen von ganz allein nichts los ist, muss ich mir den Sonntag oft bewusst frei halten. Ich muss ihn gegen Aufgaben und Arbeit verteidigen. Das gelingt mir nicht immer, aber wenn es gelingt, gehe ich besser in die neue Woche.

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