SWR1 3vor8

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 (Apg 7,57f.)

Was für ein grauenvoller Satz heute in den katholischen Gottesdiensten ausgesprochen wird: Da erhoben sie ein lautes Geschrei, hielten sich die Ohren zu, stürmten gemeinsam auf ihn los, trieben ihn zur Stadt hinaus und steinigten ihn. (Apg 7,57f.). Die Rede ist von einem jungen Mann namens Stephanus. Er ist begeistert von Jesus und der Botschaft. Weil er sich um nichts auf der Welt von seinem neuen Glauben abbringen lassen will, räumen ihn die anderen aus dem Weg. „Die anderen“: Das sind die Altgläubigen, die Angst haben, sie könnten ihren Einfluss verlieren. An den neuen Weg der Christen.

Stephanus hat die jüdischen Hohepriester gehörig provoziert. Er wirft ihnen vor, dass sie die Sache Gottes verraten. Und das, obwohl sie die Worte der Bibel kennen und sich ständig auf sie berufen. Es geht ihnen nur um den eigenen Vorteil, sagt der junge Christ. Wer so Klartext spricht, lebt gefährlich.

Muss diese Geschichte mit tödlichem Ausgang ausgerechnet an Weihnachten erzählt werden? Wo wir’s da doch lieber kuschelig und friedlich hätten...? Ja, ich glaube, gerade an Weihnachten. Denn bereits in dem Augenblick, als Gott (in Betlehem) zur Welt kommt, ist er Mensch mit Haut und Haaren. Es gibt keine Schonfrist, um sich an dem goldigen Kindlein zu erfreuen. Maria und Josef sind arm. Es gibt keinen Platz für eine ruhige Geburt. Und im Hintergrund versucht der Judenkönig Herodes alle aus dem Weg zu räumen, die ihm gefährlich werden könnten. Jesus wird Mensch und findet sich sofort wieder in dem ganzen Schlamassel, den wir Menschen einander antun. Gewalt und Mord sind an der Tagesordnung. So geht es zu auf der Welt. Bis heute. Inklusive der Tatsache, dass in unseren Tagen immer noch Menschen gesteinigt werden, weil sie eine andere Religion haben. Solch ein Wahnsinn hat in der Menschheit Methode.

Am zweiten Weihnachtsfeiertag ist ein passender Zeitpunkt, um die Augen nicht vor der Wirklichkeit zu verschließen. Die heilige Familie muss fliehen. Die Neugeborenen im Reich des Herodes werden ermordet. Die Mitglieder der ersten Christengemeinden müssen um ihr Leben fürchten. Das ist die Realität. Stephanus ist nur einer von vielen, die sterben. Bis heute ist das so. Bis heute wird aber auch daran erinnert, dass Gott sich da mitten hinein begeben hat. Als menschlicher Gott, als göttlicher Mensch. Stephanus weiß, dass er sterben muss. Und gleichzeitig kann er ausrufen: Ich sehe den Himmel offen (Apg 7,56). Weil er eine Kraft in sich hat, die stärker ist als die Steine.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21157
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