SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Eine Million Menschen sind in diesem Jahr als Flüchtlinge zu uns nach Deutschland gekommen. Das sind viele. In unserem Dorf sind es zurzeit 130 Menschen. Die Zahl wird sich bald verdoppeln. Ich bin froh, dass wir mit 70 Ehrenamtlichen die Geflüchteten begrüßt haben und uns um viele kümmern. Kleider beschaffen und Spielsachen für die Kinder. Beim Deutsch lernen helfen. Wir begleiten sie auf Ämter und unterstützen Ehefrauen und Kinder von Geflüchteten bei der Familienzusammenführung.
Ich weiß, viele befürchten, dass wir es nicht schaffen, so viele Fremde aufzunehmen.
Aber ich habe gemerkt: Wer mit den Geflüchteten zusammen kommt, wer sich erzählen lässt, was sie zur Flucht getrieben hat, der stellt sich an ihre Seite.
Vor einigen Tagen hatten wir einen jungen Geflüchteten aus Afrika bei uns zu Besuch. Seine Mutter hat ihm kurz vor ihrem Tod ans Herz gelegt, dass er sich immer zur Kirche halten soll. Kirche ist für alle da, auch für Fremde und Flüchtlinge.
Jetzt steht Weihnachten vor der Tür. Weihnachten ist für alle. Auch für Flüchtlinge. In der Bibel wird die Geburt von Jesus erzählt und gleich danach vom Kindermord in Bethlehem. König Herodes wollte das neugeborene Jesuskind umbringen lassen. Maria und Joseph blieb keine andere Wahl. Sie mussten mit ihrem Kind nach Ägypten fliehen. Jesus war ein Flüchtlingskind. Das gehört zum Kern der
 Weihnachtsgeschichte.
Der erwachsene Jesus hat später mit einem Bild beschrieben, dass die Menschen einmal nach ihrem Verhalten zu den Fremden beurteilt werden. Wenn am Ende des Lebens alles aufgedeckt wird, dann wird er sagen: „Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen.“ Und wenn dann einer fragt: „Wann bist du mir denn als Fremder begegnet?“ da wird Jesus antworten: Was ihr für einen meiner Brüder oder eine meiner Schwestern getan habt, das habt ihr für mich getan.“ So hat Jesus den Menschen ins Gewissen geredet.
Ich lasse mir das auch heute sagen. 70 Millionen Menschen sind auf der Flucht, weil sie an Leib und Leben bedroht sind. Oder weil sie keine Chance mehr sehen, in ihrem Land zu überleben. Ich finde: Davor dürfen wir die Augen nicht verschließen. Christen und Christinnen schon gar nicht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21141
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