SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Lebenswahrheiten verstecken sich in großen Bildern. Sie finden nicht Platz genug in sagbaren Worten, sagt Fulbert Steffensky. Solche Bilder zeichnet auch Lukas am Anfang seines Evangeliums im Lobgesang der Maria, im Magnificat:
Meine Seele erhebt den Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter…   Großes hat der Mächtige an mir getan… Gewaltiges hat er vollbracht mit seinem Arm, zerstreut hat er, die hochmütig sind in ihrem Herzen, Mächtige hat er vom Thron gestürzt und Niedrige erhöht, Hungrige hat er gesättigt mit Gutem und Reiche leer ausgehen lassen...
Maria singt das revolutionäre Lied vom Ende des Hungers und der Kriege, von gelebter Gerechtigkeit auf der ganzen Erde. Sie singt von der Umkehrung der Verhältnisse, vom machtvollen Handeln Gottes, der Mächtige vom Thron gestoßen, Niedrige erhöht, Hungrige gespeist hat und Reiche leer ausgehen ließ. Dieses Lied ist einer der großen Texte der christlichen Überlieferung.
Diese Lebenswahrheiten, dievon der Hoffnung auf Veränderung der Verhältnisse sprechen, sind größer als jede menschliche Vorstellungskraft. Sie loben das Leben, sagen Nein zu Gewalt und Unterdrückung, Nein zu Hunger und Armut. Welche Kraft geht von diesen Worten aus!
Es ist die unbedingte Zuversicht, die sagt: Gott ist nicht bei den Gewaltigen, nicht bei den Mächtigen zu finden. Gottes Gerechtigkeit ist anders zu begreifen.
Wenn ich diese Worte höre, muss auch ich
mich nicht abfinden mit Krieg und Terror, mit Unrecht und Ausgrenzung, mit Egoismus und Besitz auf Kosten anderer. Ich muss nicht schweigen zu unserer aus den Fugen geratenen Welt.
Ich will mit einstimmen in dieses große Hoffnungslied, will es weiterschreiben, wie es Dorothee Sölle getan hat: Meine Seele erhebt den Herrn / und mein Geist freut sich Gottes meines Heilands / Meine Seele sieht das Land der Freiheit / und mein Geist wird aus der Verängstigung / herauskommen…
Dieses Land der Freiheit zu sehen, richtet auf, es schenkt Mut, gegen Angst und Verzweiflung anzugehen. Es sind Worte, die mir Kraft geben, mich da einzusetzen, wo ich helfen kann und mich nicht von Widerständen entmutigen zu lassen oder mich resigniert abzuwenden.
Das ist das Geschenk des Advents. Und so hoffe ich dennoch auf Frieden, der höher ist als alle Vernunft. Allein solches Hoffen bewahrt mich vor der täglichen Verzweiflung über die fatale Gegenwart von Terror und Krieg, von Hunger, Armut und Leid.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21098
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