SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Adventszeit. Vorweihnachtszeit. Für die einen: Zeit der alten Bräuche und Heimlichkeiten – für die anderen: Zeit der Atemlosigkeit, der Hektik – für dritte: Höhepunkt von Resignation, Überdruss und Ablehnung – was soll denn der ganze Zauber? Ein sogenanntes Fest der Liebe macht unsere Welt auch nicht besser.
Wenn ich an meine Jugendzeit zurückdenke, dann war die Zeit vor Weihnachten eine Zeit des Hoffens. Davon bin ich heute weit entfernt. Was erhoffe ich denn? Was könnte zum Beispiel zu der Hoffnung beitragen, dass Terror, Krieg und Gewalt aufhören? Die Katastrophen des vergangenen Jahres und der letzten Wochen belegen die Ohnmacht politischer Strategien gegenüber Macht und Gewalt, die Ohnmacht gegenüber Profit- und Machtstreben.
Und dennoch kann ich nicht leugnen: Ungebrochen ist meine Sehnsucht nach friedlichem Leben, und unumstößlich ist für mich der Satz: Ich gebe die Hoffnung nicht auf. Aber diesen Satz kann ich doch nur aussprechen, wenn ich mich nicht in die Hoffnungslosigkeit fallen lasse. Es scheint paradox zu sein: Nur wer heute davon spricht, dass er keine Hoffnung mehr hat, hat die Hoffnung auf Veränderung doch nicht aufgegeben. Mit diesem Widerspruch habe ich es auch im Advent und an Weihnachten zu tun.
Vielleicht hilft ein Blick in die Geschichte des Volkes Israel, an seinem Tiefpunkt. Jerusalem ist zerstört, die Bewohner sind verschleppt und leben im Exil. An diesem Tiefpunkt sagt der Prophet Jeremia:
Siehe es kommt die Zeit, dass ich dem David einen gerechten Spross erwecken will. Sein Name wird sein: Der Herr ist unsere Gerechtigkeit. (Jer. 23, 5f.)
Das sind ebenfalls Worte der Hoffnung in hoffnungsloser Zeit. Denn diese Worte beinhalten auch eine Verheißung: Es kommt die Zeit. Sie ist noch nicht da. Jeremia verkündigt gegen alle Realität seiner Zeit: Gerechtigkeit ist keine Phantasie; ihre Zeit kommt noch. Alles wird neu werden. Das ist Jeremias Vision. Die Zeit kommt, wo trotz Dunkelheit etwas licht und hell wird.

Es kommt die Zeit. Dafür zu leben lohnt sich. Licht in der Nacht ist der beginnende Tag. Vielleicht wird dann auch eine neue Richtung des Denkens und Hoffens anbrechen. Leid, Not, Ungerechtigkeit und Unterdrückung werden nicht das Letzte sein. Das ist Advent. Das kann Hoffnung geben, trösten und dazu auffordern: Fürchtet euch nicht.

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21097
weiterlesen...