Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Ich hatte nicht für möglich gehalten, dass mir das passieren könnte.
Ich sitze am Frühstückstisch und fühle mich nicht mehr. Der Boden unter meinen Füßen rutscht. Ich halte mich richtig am Tisch fest, reibe mir meine Hände um mich wenigstens körperlich zu spüren. Stehe auf, konzentriere mich auf meine Schritte, versuche bewusst zu atmen. Sonst nichts als Leere und Angst. Die Gedanken purzeln durch meinen Kopf, unklar, ungeordnet. Ich brauche Hilfe. Das weiß ich noch.

Monatelang schon war ich belastet - mehr als sonst. Enorme Anspannung, Aufregungen, hohe Leistungsanforderungen – und dann noch das Gefühl, versagt zu haben, enttäuscht zu sein von mir selbst. Meine Hausärztin erweist sich wieder einmal als Retterin in der Not. Sie versorgt mich mit Medikamenten und gibt mir eine Telefonnummer von einer Frau fürs Akute, wie sie sagt. Ich habe Glück. Zufällig hat die Frau Zeit, noch am selben Tag. Das Wichtigste ist in dieser Situation etwas zu finden, das mir wieder Halt gibt, mich stabilisiert. Sie stellt symbolisch eine große Staffelei hinter meinen Rücken, damit ich mich anlehnen kann und legt eine weiche Decke über meine Schultern, unter meine Füße eine Wärmflasche. Versorgt mich mit Verständnis und Liebe ohne viel von mir zu wissen.
Während wir miteinander sprechen erinnere ich mich an ein Bild, das ich lange vergessen hatte. Wenn etwas über meine Kräfte ging, wenn ich keine Lösung und keinen Ausweg sah, legte ich mich gedanklich in die große, bergende Hand Gottes. Ganz im Bewusstsein, dass ich meine Grenze erreicht hatte und im Vertrauen in Seine Größe und Weisheit. Es ist kostbar, daran glauben zu können – trotzdem hatte ich den Kontakt dazu seit einiger Zeit verloren. Es war wie nach Hause kommen.

Die Krise war damit noch nicht überstanden aber ich hatte einen wichtigen Schritt getan. Als Erinnerungshilfe für die bergende Hand Gottes gab mir die Therapeutin noch einen Tipp. Beim Autofahren soll ich mich ab und zu bewusst zurücklehnen in meinen Sitz und die Kopfstützen. Ich soll mich anlehnen an die Säule in der Post, an den Türrahmen in der Bäckerei, während ich warte. Soll bewusst den Rückhalt spüren an der Hauswand, solange ich im Gespräch bin mit einer Nachbarin. Und dabei kurz daran denken, dass Gottes bergende Hand, seine Weisheit und Größe immer da ist. https://www.kirche-im-swr.de/?m=2105
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