Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Vor ein paar Tagen hatte ich noch gar keine Lust auf Weihnachten. Aber das ändert sich immer, wenn ich am 1. Advent die Kisten mit der Adventsdeko vom Dachboden hole und die Wohnung schmücke. Krippenfiguren, Lichter, Sterne. Dann zieht Weihnachtsstimmung bei mir ein. Alle Jahre wieder. Und ich merke: Traditionen sind wohltuend und berühren das Herz.
Ich frage mich: Wie empfinden wohl die Flüchtlinge, die ihre erste Adventszeit bei uns verbringen, unsere adventlichen Traditionen? Was denken die muslimischen Menschen? Und was die christlichen? Unter den 150.000 Syrern, die in diesem Jahr zu uns gekommen sind, sind ja geschätzt ein Drittel Christen.
In ihrem muslimischen Heimatland konnten die christlichen Syrer lange relativ gut ihre Religion und ihre Tradition leben. Zum Beispiel ihre Sprache. Denn zu Hause und in den Gottesdiensten sprechen viele syrische Christen Aramäisch. Und erhalten so eine der ältesten Sprachen der Welt am Leben: Aramäisch – die Sprache Jesu! Oder die syrischen Weihnachtstraditionen: An Heiligabend versammeln sich die Familie vor einem Lagerfeuer. Ein Kind liest die Weihnachtsgeschichte; dann wird das Feuer entzündet, Psalmen werden gesungen. Und am 1. Weihnachtstag gibt es einen feierlichen Gottesdienst und dann ein festliches Essen.
Traditionen sind wohltuend und wärmen das Herz. Das geht wahrscheinlich besonders den Menschen so, die fern der Heimat leben müssen. Deshalb finde ich es wichtig, dass sie auch hier ihre Traditionen leben können – gerade in der Fremde. Die Christen genauso wie die Muslime. Vielleicht können wir Einheimische ja dabei noch etwas von unseren neuen Nachbarn lernen. Im Syrien vor dem Krieg war es nämlich in vielen Dörfern üblich, dass die Moslems ihre christlichen Nachbarn an Weihnachten besuchen und ihnen gratulieren zu ihrem hohen Fest. Und umgekehrt sind die Christen an den muslimischen Feiertagen zum Gratulieren gekommen.
Alle Jahre wieder Advent und Weihnachten und schöne Traditionen: Kekse und Kerzen, Engel und Sterne – das alles ist gut. Aber das, was Advent und Weihnachten bedeuten, das ist mehr. Das heißt: Gott ist in unsere Welt gekommen; Gott zeigt uns damit: er ist für uns da, er nimmt Anteil an unserem Leben. Gott ist für alle Menschen in die Welt gekommen – für uns und für Flüchtlinge und Ausländer. Ihnen mit einem liebevollen Blick begegnen, Anteil an ihrem Leben nehmen, weil Gott auch für sie Mensch geworden ist – vielleicht können wir das als Tradition in der Adventszeit neu beleben!

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