Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Trauer über die von Terroristen ermordeten Menschen, Angst vor neuen Terroranschlägen, Entsetzen und Hilflosigkeit über die Kriege in Syrien und anderswo – wie können wir damit umgehen mit der Angst, mit dem Entsetzen, mit der Hilflosigkeit?
Ich habe mich das schon gefragt, als im Herbst eine Freundin gestorben ist. Eine Krankheit hat sie aus dem Leben gerissen und zurück blieben ihre Kinder und ihr Mann – fassungslos, bestürzt, traurig. Ich habe lange nachgedacht, was ich in die Trauerkarte schreiben soll. Bloß kein billiger Trost, bloß nichts Plattes. Schließlich habe ich vier Worte geschrieben: „Ich bete für Euch!“. Da drin steckt alles, was ich im Herzen fühle.
Ein paar Tage nach der Beerdigung kamen die Terroranschläge von Paris. Fassungslos, bestürzt und traurig habe ich mitverfolgt wie das Bild des Grauens immer schärfer wurde. Irgendwann dann der Satz, der sich wie ein Lauffeuer verbreitet hat: „Pray for Paris! Betet für Paris!“
Ja! „Betet für Paris!“ „Betet für alle Menschen, die zu Opfern des Terrors geworden sind – dort und anderswo“ – auch in diesen Worten steckt, was ich empfinde – und viele mit mir. Manche können die Worte nicht so gut nehmen. Einer schreibt: „Zu wem soll ich denn beten? Zu einem Gott, der DAS zugelassen hat?“ Ich musste an meinen Brief an den Witwer denken „Ich bete für euch!“ – Ob der auch so denkt über meine Worte?
Letzte Woche hat mich seine Dankeskarte erreicht. Auf der Vorderseite ein Gedicht von Rose Ausländer: „Und Wiesen gibt es noch    Und Bäume    Und Sonnenuntergänge    Und Meer   Und Sterne     Und das Wort     Und Leid     Und Menschen     Und     “
Mich hat das getröstet – in meiner Trauer um meine Freundin und in meinem Entsetzen angesichts des Terrors. Ja, habe ich gedacht, es gibt Dinge, die einen traurig machen und wütend und verzweifelt, aber es gibt auch anderes. Und es ist wichtig an dieses andere zu denken, gerade wenn man sich ohnmächtig fühlt und entsetzt und hilflos.
Es gibt auch anderes! Es gibt Wiesen und Bäume und Sonnenuntergänge und Menschen. Und es gibt Gott. Zu ihm kann ich beten, ihm kann ich alle Trauer und Ohnmacht und Wut vor die Füße werfen und darauf vertrauen: Gott sieht nicht weg – nicht über mich in meiner Trauer, nicht über das Leid der Opfer und ihrer Angehörigen. Gott ist da, er steht an meiner Seite. – Das ist für mich das „Mehr“ – das ist für mich Weihnachten. Genau dafür ist Gott in unsere Welt gekommen.
Mir tut es gut, mich daran immer wieder zu erinnern – gerade in diesem Advent 2015!

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