Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

In vielen Kirchen liegt in einer ruhigen Ecke ein leeres Buch aus. Aber leer bleibt es nicht lange, und das soll es auch nicht. Dafür ist ein Stift dabei, damit alle, die reinkommen, hier etwas hinterlassen können. Irgendetwas, das sie gerade beschäftigt. 

Auch in der Bischofskirche in Rottenburg liegt ein solches Buch. Es wird jeden Tag genutzt, meist mehrfach. Im Sommer fahren viele mit dem Fahrrad am Neckar entlang und machen hier eine Pause, andere gehen den Martinusweg, der von Ungarn nach Frankreich führt. Manche schreiben dann etwas zum Dom oder zur Stadt, vielleicht auch wo sie herkommen und wo sie hinwollen.  

Manchmal blättere ich darin und lese, was andere geschrieben haben. Ein bisschen Neugier ist dabei, aber ich stelle mir auch einfach gern die Menschen vor, die zu den Einträgen gehören. Besonders schön fand ich die Seite eines kleinen Mädchens, so schön, dass ich mir gemerkt habe, was sie geschrieben hat: Lieber Gott, danke das du uns erschafen hast Katzen und Menschen! Amen Hannah. Ich kenne Hannah nicht, aber ich freue mich, dass es ihr gut geht, dass sie eine Katze hat, an der sie hängt, und Menschen, bei denen sie unbeschwert aufwachsen kann. Und von denen sie lernt, dass danken etwas Schönes ist. 

Aber nicht alle Beiträge sind heiter und unbeschwert. Viele schreiben sich etwas von der Seele, was sie belastet. Probleme mit der Gesundheit, Sorgen um die Kinder und ihre Zukunft, ein unsicherer Arbeitsplatz, eine Ehe in der Krise, ein Todesfall, nach dem nichts mehr ist wie es war. Und immer ist die Bitte dabei: Hilf, mir, Gott! Oder auch: Hilf, Maria, du bist doch auch unsere Mutter.  

Ich lese immer wieder gern in diesem Buch. Ich sehe die Schrift und stelle mir die Hände vor, die das schreiben. Und die Menschen, die ihre Sorgen und Unsicherheiten hierher tragen, weil sie spüren, dass hier der Ort ist, wo das alles hingehört. Wo alles sein darf und seinen Platz hat. Und ich bin jedes Mal berührt und beeindruckt von dem Vertrauen, das in den schlichten und oft ungelenk geschriebenen Worten liegt. Manchmal nehme ich einen Beitrag in Gedanken mit und nehme mir vor, für die Person zu beten, die das geschrieben hat. Manchmal schreibe ich auch selbst was rein. Und vielleicht betet dann ja auch mal jemand für mich.

 

 

 

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20938
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