SWR3 Gedanken

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Ich habe ein Gedächtnis wie ein Elefant. Weniger, wenn es um römische Geschichte oder französische Vokabeln geht. Aber bei schmutzigen Socken im Flur oder Schlammspuren auf Fliesen, da läuft mein Gedächtnis zu Hochform auf.
Dann erinnere ich mich an achtzehnhundertnochwas, als unsere Tochter schon einmal ihre schmutzige Unterwäsche einfach in den Kleiderschrank gestopft hat, weil sie keine Lust hatte, sie ins Bad zu tragen. Und ich erinnere mich an jene Epoche kurz nach der Steinzeit, als mein Mann schon einmal mit seinen verschlammten Stiefeln durch den frisch geputzten Flur gelatscht ist.
Irgendwann platzt mir der Kragen. Und dann spult mein Gedächtnis die gesamte Sündenchronik der Haushaltsvergehen ab. Du hast jetzt etwas falsch gemacht und – wenn wir schon dabei sind - vor drei Tagen auch und vor drei Wochen und vor drei Jahren. Du machst eigentlich immer etwas falsch.
Gefundenes Fressen für die Konfliktforscher. Die halten nämlich wenig vom Langzeitgedächtnis, sondern setzen eher auf das Kurzzeitgedächtnis. Mich ärgert etwas. Und genau das sollte ich auch zur Sprache bringen. Und zwar jetzt. Denn an Geschichte kann ja keiner etwas ändern, an der Gegenwart schon. Und erst recht an der Zukunft.
Ich habe ein Gedächtnis wie ein Elefant. Aber der kann im Porzellanladen der Gefühle gehörig Scherben hinterlassen. Wenn mich also die nächste schmutzige Socke ärgert, verkneife ich mir die Generalabrechnung und setze auf den Moment. Wer weiß? Vielleicht springt für mein Gedächtnis am Ende dabei sogar eine gute Erinnerung heraus.

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