Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

„Der Berg kreißt und gebiert … eine Maus.“ Dieses Bild hat sich mir aufgedrängt, als ich die Beratungen der Familiensynode verfolgt habe. Drei Wochen lang haben vor allem katholische Bischöfe aus der ganzen Welt sich in Rom zusammen gesetzt, um darüber zu sprechen, was Familie ist. Heraus gekommen ist am Ende ein Dokument mit 94 Abschnitten, in dem man die Neuigkeiten suchen muss. Auf den ersten Blick liest sich fast alles so, als wäre es längst bekannt. Eine Ehe besteht aus Mann und Frau und ihr größtes Geschenk sind Kinder. Dann ist von der Schönheit des Familienlebens die Rede und davon, wie wichtig die Familie für die ganze Gesellschaft ist. Dass es Schwierigkeiten gibt und dass Ehen in die Brüche gehen, wird auch angesprochen. Aber Entscheidungen, die einen neuen Weg zeigen würden, sucht man vergeblich. Oder ein Wort dazu, dass sich Familie in den letzten fünfzig Jahren stark verändert hat. Das Schlusspapier der Familiensynode liest sich traditionell, in der Sprache ein bisschen umständlich, fast harmlos. Der Berg kreißt und gebiert eine Maus. So kommt es mir auf den ersten Blick vor.

Wenn ich dann aber genauer hinschaue, dann entdecke ich ein paar Ergebnisse, die mich sagen lassen: Es hat sich doch gelohnt, dass der Berg gekreißt hat.
Die Katholische Kirche tritt hier nicht mehr auf wie ein Gericht, das über gut und böse urteilt. Die Bischöfe betonen: Jede Lebenslage verdient zuerst einen barmherzigen Blick. Die Menschen dürfen von der Kirche erwarten, dass für sie Seelsorge an erster Stelle steht. Deshalb legt die Synode auch mehr als bisher Wert darauf, dass das Gewissen des einzelnen das letzte Wort hat. Wenn es so kommt, wie Papst Franziskus will, werden in Zukunft nicht mehr alle Entscheidungen in Rom gefällt. Es scheint mir, als sei die Katholische Kirche jetzt endlich auf dem richtigen Weg zu werden, was sie schon lange sein will: eine Kirche für die ganze Welt. Und da ist es ganz normal, dass in Afrika die heißen Eisen anders beurteilt werden als in Europa: Ehe ohne Trauschein, Homosexualität, Empfängnisverhütung, Geschiedene, die wieder heiraten.
Ich hoffe sehr, dass die katholischen Bischöfe in Deutschland die neue Freiheit aufgreifen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20831
weiterlesen...