Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Vor kurzem hatte ich eine Frau zu beerdigen, die mit Anfang 40 an Krebs gestorben war. Unheilbarer Hirntumor. Viele Angehörige, Freunde und Nachbarn waren gekommen um Abschied zu nehmen und um das schlimme Leiden und den grauenvollen Tod zu verarbeiten. Ganz schnell sitzt Gott in solchen Situationen auf der Anklagebank. Wie konnte Gott das zulassen – wenn es ihn überhaupt gibt? Sind solche Katastrophen nicht der beste Beweis, dass der Glaube nichts als eine fromme Illusion ist? Und manchmal sagen Menschen es auch ganz offen: „Ja früher habe ich auch geglaubt, aber inzwischen habe ich das Leben mit seinen brutalen Seiten kennengelernt. Und da habe ich nichts von einem liebenden Gott entdeckt. Im Gegenteil“.
Auf der anderen Seite sind es manchmal gerade solche schlimmen und bedrohlichen Erfahrungen die uns an unseren Kinderglauben erinnern und die Sehnsucht in uns wecken: Ach könnte ich doch noch mal so kindlich wie früher an Gott glauben. Meine Frau und ich jedenfalls haben Gottes Hilfe und Nähe gerade in so einem Tief besonders intensiv gespürt. Als wir vor drei Jahren unseren Sohn im Alter von nur 28 Jahren verloren haben, haben wir mit Trauer, Ohnmacht und Wut gekämpft. Aber gleichzeitig haben wir erlebt, wie sich Gott mitten im Chaos gezeigt hat und unseren Blick nach vorne gerichtet hat.
Uns haben damals Worte aus Psalm 23 sehr geholfen. Er beginnt mit dem Bekenntnis: „Der Herr ist mein Hirte.“ Einige Verse später heißt es dann: „Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.“ Mit dem finsteren Tal ist das Tal der Todesschatten gemeint. Es geht um extreme Erfahrungen, Situationen, die mein Leben bedrohen und aus denen ich allein nicht mehr herauskomme. David beschreibt in Bildern aus seinem Beruf, dass er Gott dabei in doppelter Weise erlebt hat. Was mit „Stecken“ so harmlos klingt, ist in Wahrheit der Knüppel, mit dem der Hirte feindliche Tiere abwehrt. Es geht also um Gottes Hilfe und Schutz. Der Stab hingegen dient dazu, die Schafe zu leiten, sie zu berühren und sie spüren zu lassen, in welche Richtung sie weiterlaufen sollen. Oder allgemeiner gesagt, die Zuversicht, dass es irgendwo und irgendwie weiter geht. Mit Gottes Hilfe.
Es war eine schwere Zeit, die wir damals durchgemacht haben. Und doch war es auch eine gute Erfahrung, Gott mitten in diesem „finsteren Tal“, wie David es nennt, nahe zu sein.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20809
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