Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Es gibt sie tatsächlich noch: Hirten die im grünem Parka mit Schäferhund und Schafherde unterwegs sind. Im Urlaub bin ich einer solchen Idylle beim Fahrradfahren begegnet. Auch wenn der Landrover inzwischen an die Stelle des Hirtenkarrens getreten ist, war es doch ein Bild wie aus einer anderen Welt. Unwillkürlich musste ich an den Psalm 23 denken – vermutlich das bekannteste Hirtengedicht der Literaturgeschichte. David schreibt darin: „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führt mich zum frischen Wasser. Er erquickt meine Seele.“
Erquicken - Das ist ziemlich altertümliches Deutsch. Aber auch wenn die Sprache nicht mehr in unsere Zeit zu passen scheint, ist die Sache doch hoch aktuell. Wir sagen heute vielleicht: Abstand gewinnen, Auftanken neuen Mut fassen. Wenn man viel Zeit hat wie ein Hirte, kann man seinen Gedanken freien Lauf lassen. Wir diskutieren dann mit uns selbst und setzen uns mit Freund und Feind auseinander. Solche Zeiten sind eine gute Gelegenheit, Gott einzubeziehen und aus den Gedanken ein Gebet zu machen. Beten – das ist auch so eine altmodische Angelegenheit. Oder? „Ja früher, als ich noch ein Kind war, habe ich auch gebetet“, höre ich manchmal. Wieso nur früher? Heute als Erwachsene haben wir doch auch unsere Themen und Anlässe, die uns zu schaffen machen und über die wir mit Gott reden sollten.
Ich will Ihnen ein wenig von mir selbst erzählen. Manchmal mache ich einen langen Spaziergang, um mit Gott zu reden. Es ist ein Stückchen von dieser Hirtenidylle, die ich mir dann gönne. Ich rede innerlich mit Gott über alles was mich umtreibt. Über die verschiedenen Fäden meines Lebens, die sich mitunter zu einem wirren Knäuel verschlungen haben. Über meine Träume, Erwartungen und Hoffnungen. Über meinen Frust, meine Verletzungen und das Unrecht, das man mir angetan hat. Über Ängste, Sorgen und die Trauer über den Tod meines Sohnes. Und gar nicht so selten passiert es dann, dass Gott sich zu Wort meldet. „Es denkt in mir“, sage ich gerne, um diese Erfahrung zu beschreiben. Ich erinnere mich beispielsweise an einen Streit mit jemandem. Keine Frage, dass ich im Recht war und mir das nicht bieten lassen konnte. Aber hier im Gespräch mit Gott, keimte plötzlich ein „Ja aber“ auf. Ich begann zu verstehen, warum der andere so massiv reagierte hatte. Und am Ende des Tages war ich in der Lage, meinen Anteil zu benennen und mich zu entschuldigen. – Grüne Aue, frisches Wasser. Erquickung für die Seele. – Gut beschrieben David! Genauso erlebe ich es auch, wenn ich das Gespräch mit Gott suche und ihm eine Chance gebe, sich einzumischen und zu Wort zu melden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20807
weiterlesen...