Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Manchmal ist mir nach Ausreißen zumute. Manchmal sogar schon vor dem Frühstück. Einfach frei sein, frei vom Alltagstrott, frei von Zwängen, vom Beruf, von Kindern, von den alltäglichen Pflichten. Aber ist das Freiheit?
Eine Bekannte von mir erzählte: „Mit 20 wollte ich nur weg. Ich wollte frei sein. Frei von den Nörgeleien der Eltern, frei von den Leuten im Dorf, die mich noch für ein Kind hielten, frei von den Regeln der Clique. Und so setzte ich mich in mein Auto und fuhr los. Quer durch Europa. Es war eine tolle Zeit.“ Aber warum kam sie zu-rück, wollte ich wissen? Meine Bekannte erzählte: „Nach Monaten des ziellosen, freien Herumgondelns setzte ich mich eines Morgen am Rande einer großen Stadt in ein Cafe. Ich trank etwas und sah den Leuten zu. Sah Menschen, die kamen und gingen, sah Menschen, die Einkauftüten trugen und Kinderwagen schoben, sah Menschen, die sich mit anderen Menschen trafen und gemeinsam weggingen. Mir fiel auf: Alle diese Menschen hatten ein Ziel. Sie kamen irgendwo her und wollten irgendwo hin. Und da wurde mir klar, dass ich auch ein Ziel brauchte. Dass ich et-was tun musste.“
Mich hat unser Gespräch beschäftigt. Was mir deutlich wurde: Es reicht nicht aus, frei von etwas zu sein. Freiheit braucht eine Richtung. Ein Wohin. Eine alte Erfah-rung.
Eine Erfahrung, von der schon die Bibel berichtet. Da sind Mose und Aaron, die An-führer der Israeliten. Sie gehen zum ägyptischen König, denn sie wollen auch be-freit sein, befreit von Sklaverei und Unterdrückung.
Die Bibel erzählt, dass Menschen in Demütigung und Abhängigkeit nicht wachsen und reifen können. Gott aber will freie Menschen, keine Ja-Sager oder Duckmäuser. Doch diese Menschen sollen nicht nur frei von etwas sein, sollen nicht nur befreit leben können. Gott will, dass Menschen frei zu etwas sind: frei zu dem Wesentli-chen des Lebens, frei für Gott.
Der Auszug aus Ägypten erzählt, dass die Suche nach der Freiheit schwierig ist. Die Israeliten irren vierzig Jahre in der Wüste umher. Sie müssen sich die Richtung der Freiheit immer wieder neu erkämpfen. Freiheit-Haben ist also kein Freifahrtschein fürs Leben. Die Freiheit muss auch gefüllt werden mit Sinn und Zielen. Ich finde, »Gott« ist immer noch ein guter Name für diesen Sinn – ein Ziel, das die Freiheit haben kann.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=2072
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