SWR2 Wort zum Tag

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Je älter ich werde, umso öfter frage ich mich: was ist wesentlich? Wo bin ich lebendig? Wie lebe ich authentisch - auch unter erschwerten und vielleicht oft auch aussichtslosen Bedingungen? Bleibe ich die, die ich bin oder sein will?
In ihren Büchern hat Christa Wolf oft von der Suche nach Sinn gesprochen und von der Hoffnung auf ein authentisches Leben.
Ihr Briefwechsel mit Franz Fühmann Monsieur – wir finden uns wieder von 1968 bis 1984 ist geprägt von der Hoffnung auf Veränderung der kulturpolitischen Einengungen und Repressionen in der DDR. Die beiden Schriftsteller sprechen von ihrer Sehnsucht, in  einer Gesellschaft zu leben, die dem einzelnen Freiheit und Würde  ermöglicht.
Christa Wolf schreibt:  In mir ist seit einiger Zeit eine große Sehnsucht nach dem Positiven, nach dem, was bleibt… Dazu schreibt Fühmann: Christa, wie die Dinge jetzt liegen, wird es wohl an uns beiden liegen, eine Würde der Literatur zu repräsentieren, die nicht verloren gehen darf.
Die Literatur, die Kunst und auch die Religion haben die Aufgabe, in Zeiten von Unfreiheit, von Überwachungen und Repressalien, die Widersprüche in der Gesellschaft zu thematisieren, Konflikte aufzudecken und Veränderungen einzuklagen, auch wenn es oft auf verlorenem Posten geschieht.
Am Ende ihres Nachworts zum Briefwechsel schreibt Christa Wolf:
Auf verlorenem Posten ‘Würde’ wahren, um Selbstbehauptung kämpfen, es lernen, ohne Perspektive und ohne sichtbare Alternative zu leben, darum (geht) es… vielleicht (geht)  es ja darum, einen Platz nicht zu verlassen, und wenn es auch ein Platz (ist) mit dem Rücken an der Wand.
Was hier anklingt, ist der Wunsch, sich die eigene Würde zu bewahren.
Für mich ist das eine wichtige Frage. Es zeigt Größe und Rückgrat, wenn ich mich nicht verbiegen lasse, wenn ich das lebe und sage, was wesentlich ist, und nicht das, was andere mir vorschreiben. Ich will in Tun und Denken ich-sagen können. Eingedenk eines Wortes in der Bibel, das Paulus
im  Brief an die Epheser treffend formuliert: Achtet genau darauf, wie ihr euer Leben führt. Sehet zu, wie ihr lebt, was der Wille Gottes ist.
Das heißt für mich, identisch mit mir zu leben und in Verantwortung vor Gott und den Menschen nach Lebensmöglichkeiten zu suchen, auch wenn ich mit dem Rücken zur Wand stehe. Es gibt eine innere Stärke, die mir trotz aller Widerstände nicht genommen werden kann. Das meint: Lebendig zu bleiben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20703
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