Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Haben Sie schon einmal in ein Wespennest gestochen? Ich habe vor wenigen Tagen erfahren, was das heißt. Bei einer Wanderung entdeckte ich ein richtig großes Wes-pennest. Es lag im Gras am Wegrand. Schien vom Baum gefallen zu sein. Toll, habe ich gedacht, ein Wespennest, das können wir uns gut zu Hause mal genauer angu-cken. Ich wollte es aufheben, kam mit dem Fuß gegen das Nest – und schon wur-den wir von einem Schwarm Wespen angegriffen. Richtig aggressive Biester. Wir sind buchstäblich Hals über Kopf geflohen, haben aber trotzdem ein paar Stiche abbekommen.
Die alte Redewendung – in ein Wespennest stechen – hat plötzlich bei mir eine ganz konkrete Gestalt gewonnen. In ein Wespennest stechen, das heißt: Auf etwas Brisantes oder Besonderes zu stoßen und es beim Namen zu nennen. Kein Wunder, dass die Betroffenen dann häufig wie Wespen reagieren und versuchen zuzuste-chen.
Im Wald war das Stochern im Wespennest eher fahrlässig. Ich hätte ja vorher ge-nauer hinschauen können. Manchmal ist es aber nötig, ins Wespennest zu stechen. Auch auf die Gefahr hin, gestochen zu werden.
Die großen Heiligen etwa konnten das. Franz von Assisi, der sich von seiner reichen Familie lossagt, tut das nicht heimlich. In aller Öffentlichkeit zieht er sich aus, will nackt in die Welt ziehen und mit dem blutigen Geld seiner Eltern nichts mehr zu tun haben. Ein Stich ins Wespennest. Oder Thomas Morus. Der sich mit dem englischen König anlegt, weil der mehrere Frauen heiraten will. Das bleibt nicht ohne Folgen. Thomas Morus wird vom König hingerichtet.
Wer ins Wespennest stechen will, der muss sich gut überlegen, welche Konsequen-zen das haben kann. Der muss sich gut überlegen, ob er sich auch stechen lassen will. Manchmal aber lohnt sich der Einsatz. Wenn sich danach etwas klärt. Wenn Fronten geklärt und Meinungen ausgesprochen werden. Denn erst dann kann man auch nach Lösungen in Konfliktfällen suchen.
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