Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Die Schule muss im Dorf bleiben, sonst stirbt das Dorf.“ Mit diesem Satz ist der Bürgermeister von Golzow in die Zeitungen gekommen. Golzow ist ein Dorf mit 850 Einwohnern in Brandenburg. Aber ähnliche Sorgen hat man in vielen Gemeinden, auch bei uns. Es gibt immer weniger Kinder und plötzlich ist die Schülerzahl zu gering. Die Schule wird geschlossen, schon die Grundschulkinder müssen in die nächst größere Gemeinde. Und junge Familien bleiben nicht, wo es keine Schule gibt.
Genau diese Sorge hatten die Schulleiterin und der Bürgermeister. Aber sie wollten nicht, dass ihr Dorf stirbt. Damit es in der Grundschule überhaupt noch Erstklässler gibt, haben sie deshalb neue geholt. Zwei syrische Familien aus dem Erstaufnahmelager in Eisenhüttenstadt wohnen jetzt im Ort. Leerstehende Wohnungen gab es genug.
4 Erwachsene und 6 Kinder. Drei besuchen nun die Klasse Eins der Grundschule. So wurde die entscheidende Marke von 15 Schülern überschritten, die es braucht, um eine Klasse zu eröffnen. Die anderen 3 kommen in den nächsten Jahren. Die Bürger haben Möbel gespendet, sodass die beiden Familien jetzt ganz gut ausgestattet sind. Und einer der Väter hilft für 1,20 Euro pro Stunde im Schulgarten. Mehr darf er nicht verdienen als Asylbewerber.
Vorerst brauchen sich der Bürgermeister und die Schulleiterin keine Sorgen mehr zu machen wegen ihrer Schule. Allerdings ist bei einem der syrischen Väter noch nicht klar, ob er womöglich zurück muss nach Italien, weil er da zuerst angekommen war auf seiner Flucht und registriert wurde. Aber das kriegen wir schon hin, sagt der Bürgermeister.
Golzow ist mit der Rettung seiner Schule in die Zeitungen gekommen, weil die Grundschule den Ort schon früher berühmt gemacht hat. Es gibt einen Dokumentarfilm „Die Kinder von Golzow“, in dem der Lebensweg von 25 Kindern vom Tag der Einschulung 1961 bis zu ihrem 50ten Geburtstag 2007 erzählt worden ist. Ein Stück deutscher Geschichte in insgesamt 45 Stunden Filmmaterial. Diese Kinder waren alle in der Grundschule, die nun beinahe geschlossen worden wäre.
Ich finde, die Geschichte dieses Dorfes und seiner Schule zeigt: Manche Sorgen ließen sich beheben – wenn man sich nicht von den Sorgen verrückt machen lässt, sondern darauf vertraut: „Wir können das schaffen!“
„Alle eure Sorgen werft auf ihn, denn er sorgt für euch“ (1. Petrus 5,7   ) lese ich in der Bibel. Vielleicht ist es das, was manchmal fehlt: Vertrauen, das entlastet. Das Vertrauen, dass Gott für mich sorgen wird. Dann kann man sich auch auf ungewöhnliche Aktionen einlassen. Die Schule bleibt im Dorf und das Dorf bleibt lebendige Heimat.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20631
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