SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Es gibt gute Mächte in unserer Welt, nicht nur das Böse, das einem zu schaffen macht. Davon bin ich überzeugt. Und Sie? Haben Sie auch schon gesagt: Da hatte ich einen Schutzengel? Das hätte böse ausgehen können. Oder, wenn sich eine verfahrene Situation ohne mein Zutun gelöst hat. Oder wenn ich eine sehr schwierige Aufgabe bewältigen konnte. Dann spüre ich, dass es mehr gibt, als ich sehen kann.
Vor 70 Jahren wurde Dietrich Bonhoeffer im Konzentrationslager hingerichtet, weil er im Widerstand gegen Hitler gekämpft hatte. Einige Monate vor seinem Tod hat er zum Jahreswechsel ein Gedicht geschrieben. Er hat es seiner Mutter und seiner Braut gewidmet. Im Evangelischen Gesangbuch ist es vertont als Lied aufgenommen.
Die letzte Strophe gefällt mir besonders gut:
„Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist mit uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“
Bonhoeffer wusste nicht, ob er überhaupt noch einmal aus dem Gefängnis frei kommt oder ob man ihn umbringen wird. Da hat er an seine Familie und seine Freunde gedacht. Sein eigenes Schicksal hat er in Gottes Hände gelegt. Das drückt er mit seinem Gedicht in der ersten Strophe so aus:
„Von guten Mächten treu und still umgeben, behütet und getröstet wunderbar,
so will ich diese Tage mit euch leben und mit euch gehen in ein neues Jahr.“
Mit den guten Mächten sind die Engel Gottes gemeint. Die größere Wirklichkeit Gottes. Die kann man nicht sehen und ich kann sie eben so wenig wie Gott selbst beweisen. Trotzdem hat Bonhoeffer sie offensichtlich gespürt, die verborgene Begleitung durch Gott. Mit 39 Jahren wurde er hingerichtet. Seine letzten Worte waren: „Da ist das Ende. Für mich ist es der Anfang.“ Das hat ein Mitgefangener später berichtet.
„Von guten Mächten wunderbar geborgen erwarten wir getrost, was kommen mag.“ Ich versuche, mich darauf zu verlassen. Denn dann muss ich mich nicht um mich selbst sorgen und um meine Zukunft. So kann ich mich für andere einsetzen, für meine Enkel und für Menschen, die mich brauchen.

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