Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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In meinen Sommerferien war ich an einem Tag in Taizé. In dem kleinen Dorf im Burgund in dem sich Woche für Woche tausende von Jugendlichen aus der ganzen Welt treffen. Überwiegend Christen. Welcher Kirche sie angehören spielt keine Rolle. Sie kommen, weil sie an diesem Ort Gemeinschaft erleben. Im Mittelpunkt steht das, was sie als Menschen verbindet, nicht das was sie trennt. Dreimal am Tag treffen sie sich zum gemeinsamen Gebet. 

Freitag abends bleiben sie noch lange nach dem Gebet in der Kirche. Als Erinnerung an den Todestag von Jesus liegt ein großes Holzkreuz in der Mitte der Kirche flach auf dem Boden. Etwas erhöht auf ein paar Backsteinen wie ein Tisch – 10 / 12 Leute passen drum herum. Wer dort Platz nimmt, legt seinen Kopf auf dem Kreuz ab. Es ist sichtbar, worum es geht. Menschen zeigen, dass sie belastet sind. Sie legen ihren Kopf auf dem Kreuz ab und bringen so ihre Last zu Gott. Sie fühlen sich von ihm getragen. Und sie erleben, dass sie nicht alleine sind. Neben ihnen sitzen viele andere, die dasselbe tun. Ohne voneinander zu wissen, was ihnen das Leben schwer macht, worunter sie leiden, welchen Kummer sie haben. Obwohl sie schweigen sind sie verbunden. Als Menschen und durch ihren Glauben an Gott. 

Das Kreuz ist im Christentum ein starkes Zeichen dafür, dass Gott die Menschen liebt. Auf den ersten Blick kann man das nicht sehen. Denn im Grunde ist es einfach grausam wie Jesus am Kreuz gestorben ist. Es erklärt sich nicht von alleine, warum das sein musste. In Taizé kann man etwas davon ahnen. Dort entlastet das Kreuz Menschen sichtbar und fühlbar.

Dieses Bild fällt mir immer wieder ein. Wenn ich die Flüchtlingsströme im Fernsehen und in der Zeitung sehe. Die Kriegsnachrichten aus Syrien höre. Wenn ich erlebe, wie sehr sich eine Freundin wegen der Vorwürfe ihrer Tochter quält. Oder sehe, wie traurig einer meiner Schüler ist, weil er seinen Papa nie sieht. 

Es ist ein tröstliches Bild in Situationen, wenn ich mich ohnmächtig fühle. Die Menschen, die gemeinsam um das Kreuz sitzen wie um einen Tisch, ihren Kopf ablegen und entlastet werden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20583
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