Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Guten Morgen. „Ich arbeite und arbeite und fühl mich trotzdem als Versager. Das Geld, das ich heimbringe, reicht nicht mehr für die Familie. Für das Nötigste, schon. Aber Urlaub oder Schullandheim für die Kinder, dafür langt es nicht mehr.“ Und dabei arbeitet der Familienvater, der das in einem Fernsehbericht sagt, in seinem Beruf, für den er drei Jahre gelernt hat. Er ist nicht arbeitslos und jobbt auch nicht nur.
Bin ich ein Versager? Wie viele fragen sich das wohl? Weil es ihnen ähnlich geht wie diesem Familienvater. Und ich frage mich, ist das ein gerechter Lohn für Arbeit, wenn sich jemand vor sich selbst und seiner Familie dafür als Versager fühlt?
Wann ist ein Lohn gerecht? Diese Fragen sind sehr alt. Schon Menschen in der Bibel haben sich damit gequält. Die richtigen Antworten, ein für allemal, gibt es wohl auch nicht. Man muss sie immer wieder neu finden, aushandeln, erstreiten.
In der Bibel erzählt Jesus eine Geschichte, die zeigt mir die Richtung, was ein gerechter Lohn ist und wer eigentlich versagt, wenn das Geld aus Arbeit nicht mehr reicht zum Leben.
Jesus erzählt in dieser Geschichte von Menschen, die Arbeit suchen. Ein Weinbergbesitzer stellt sie ein, als Tagelöhner.
Die Arbeit reicht nicht für alle für den ganzen Tag. Einige kann er nur einen halben Tag beschäftigen, andere nur stundenweise. Trotzdem kriegen alle am Abend den vollen Tageslohn ausgezahlt. Die die länger geschafft haben, meckern. „Das ist kein gerechter Lohn, wenn alle das gleiche kriegen für unterschiedlich lange Arbeit“, sagen sie. „Das mag ja sein,“ sagt der Weingärtner, „aber ist es nicht eine viel größere Ungerechtigkeit, wenn ich euren Kollegen so wenig zahle, dass es für die Familien nicht reicht und sie sich als Versager fühlen müssen?“
Für mich stecken in dieser Geschichte drei Gedanken.
1) Wer arbeitet, soll sich nicht als Versager fühlen.
2) Ein gerechter Lohn muss gewährleisten, dass Menschen davon leben und ihre Lieben versorgen können.
Und 3) Funktioniert hat das Ganze, weil der Arbeitgeber an das Wohl seiner Mitarbeiter und deren Familien gedacht hat. Und nicht an mehr Rendite für sich. Dieser Arbeitgeber hat nicht versagt. Und wo liegt das Versagen heute, wenn Menschen trotz Arbeit ihre Familie nicht ernähren können? Gerecht finden kann ich so ein System nach biblischen Maßstäben jedenfalls nicht.

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