Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Damit hatten die Gottesdienstbesucher am Sonntag nicht gerechnet. Als sie die Kirche verlassen, liegen auf dem Kirchplatz weißgewandete Gestalten in Ärztekitteln und Schwesternschürzen auf dem Pflaster. „Die Pflege liegt am Boden“, ist auf Plakaten der Katholischen Arbeitnehmerbewegung zu lesen. 

Was hat sie denn umgehauen? Nun – seitdem das Gesundheitswesen privatwirtschaftlich betrieben wird und sich möglichst mit Gewinn rechnen soll, werden Stellenpläne ausgedünnt und Personal eingespart. Immer mehr Arbeitslast verteilt sich auf immer weniger Schultern. Eine zweite Diagnose – nicht weniger hammermäßig - kommt noch hinzu: Die vorhandenen Stellen können nicht einmal besetzt werden, es fehlen qualifizierte Fachkräfte. 

Das bleibt nicht ohne Folgen – für die Pflegenden ebenso wie für die Pflegebedürftigen! Schon kam es zu ersten Arbeitsniederlegungen. Man höre und staune – nicht für mehr Geld, sondern für mehr Personal! Viele Pflegekräfte schreiben in höchster Not Überlastungsanzeigen, meistens vergeblich! Hektisch huschen in den Kliniken die Schwestern über die Flure. In Altenheimen wird gewindelt, statt beim Klogang behilflich zu sein. Was alte und kranke Menschen am dringendsten bräuchten, wird ihnen vorenthalten, nämlich Zeit und Zuwendung. Denn Krankheit ist Krise und Alter eine Herausforderung. Beides verlangt nicht nur eine helfende Hand, sondern auch ein offenes Ohr und ein mitfühlendes Herz. „Was willst du, das ich dir tun soll?“, fragt Jesus seine Patienten und lupft ihnen die Zunge, bringt sie zum Sprechen. Damit beginnt der Heilungsprozess. 

Nun ist die Pflege selbst zum „Pflegefall“ geworden. Was empfehlen die Therapeuten?  Mehr Pflegepersonal, und das bedeutet: Mehr Geld ins System! Zum andern aber müssen die Pflegeberufe endlich aufgewertet und attraktiver werden. Pflegearbeit ist kostbarer als Arbeit mit Material und Maschinen. Das muss sich auch in den Gehaltstabellen, in der Entlohnung widerspiegeln. Die dritte und wichtigste Hausaufgabe für alle ist es, junge Menschen für die Pflegeberufe zu finden und zu begeistern. 

Allerdings - die beste Pflege kann nicht ersetzen, was nur Angehörige und Freunde alten und kranken Menschen schenken können: Mitgefühl, Aufmerksamkeit und Dankbarkeit. Wie wär´s mit einem Besuch an diesem Wochenende?

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20519
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