Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Ehekrach und Familienstreit gibt es besonders leicht im Urlaub, heißt es. Klar, da regt es einen mehr auf, was man sonst schnell wieder wegdrückt. Im Alltag hat man keine Kraft  oder weniger Zeit für lange Streitereien. Im Urlaub kann die Wut wachsen. Und dann explodiert sie. Mindestens der Urlaub ist dann verdorben. Manchmal sogar noch mehr.
Wut ist eine sehr menschliche Reaktion. Manche sind leicht entflammbar, da kommt sie schnell und heftig. Sie werden richtiggehend überwältigt von ihren Gefühlen. Bei mir geht die Wut eher nach innen, sie erstickt mich fast. Aber kaum einer merkt das. Das ist auch nicht viel besser. Auch darunter leiden die Beziehungen zu anderen Menschen. Und vor allem: Ich leide darunter.
Die erste Wut-Geschichte in der Bibel ist die von Kain und Abel. Beide arbeiten hart, der eine hat Erfolg, der andere nicht. Da wird Kain wütend und im Zorn erschlägt er Abel, seinen Bruder. Schluss, aus! Weg mit dem, der mich ärgert. Ich kann ihn nicht mehr ertragen. Ich will ihn nicht mehr sehen. Die Bibel erzählt auch, wie Gott darauf reagiert. Als Kains Wut auflodert, da spricht er ihn an: „Warum entgleiten deine Gesichtszüge derart?“ fragt er ihn. „Ist es nicht so: Wenn dir Gutes gelingt, schaust du stolz. Aber wenn dir nichts Gutes gelingt, lauert die Sünde an der Tür. … Aber du werde Herr über sie!“ (1. Mose 4, 6f; Übersetzung Frank Crüsemann)
Wut überfällt einen. Oft kann man sich gar nicht wehren, so verstehe ich das. Aber für die Folgen bin ich verantwortlich. Wut überfällt einen wie ein wildes Tier. Aber es gilt, sie zu beherrschen. Kain konnte das nicht. Er hat Abel erschlagen – so fängt die Wut- und Gewalt-Geschichte der Menschen an. Und, man muss wohl sagen: Sie dauert bis heute.
Und Gott? Auch er ist zornig über diesen ersten Gewalttäter, erzählt die Bibel. Er verflucht Kain. Sein Leben wird mühsam und rastlos. Aber Gott schützt ihn auch. Er bekommt eine Chance. Kain kann weiter leben. Er kann neu anfangen.
Vielleicht kann man ja von Gott lernen, wie er mit seiner Wut umgeht. Die Erfahrung der biblischen Erzähler ist: Gott  übersieht nicht, was passiert. Er tut nicht so, als sei nichts geschehen. Aber er schlägt auch nicht alles kurz und klein. Er macht nicht alles kaputt. Er lässt sich bewegen. Von denen die um Vergebung bitten. Von denen, die sagen, es tut mir leid. Er sucht mit den anderen einen Weg, wie es weitergehen kann. Ich glaube, solche Besonnenheit wäre ein Weg für alle, die wütend sind – ob nun nach außen oder nach innen.

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