SWR1 3vor8

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20. Sonntag im Jahreskreis B (Spr 9,1-6)

„Und bewahre uns vor Dummheit.“ So hat ein älterer Pfarrer, mit dem ich befreundet war, immer gebetet. Als ich das zum ersten Mal gehört habe, war ich etwas irritiert; später fand ich's eher lustig. Aber der alte Pfarrer hat es sehr ernst gemeint. Todernst. Das habe ich erst im Laufe der Zeit begriffen, als ich mehr von ihm und seiner Lebensgeschichte erfahren habe. Er war als Missionar in Ruanda in den 90er Jahren, als dort ein furchtbarer Bürgerkrieg tobte. Zwei Stämme, die Hutu und die Tutsi. Die Mehrheit hat die Minderheit massakriert. Und am Ende war der eine Stamm fast ausgelöscht. Hundertausende von Toten. Ein Wahnsinn. Und tatsächlich, wenn man jemand gefragt hätte, was denn der Sinn von dem allem sei, es hätte keiner eine vernünftige Antwort darauf geben können. Kein rationales Argument, keine Erklärung. Also: Dummheit! Zu diesem schlichten Ergebnis muss der pensionierte Herr gekommen sein. Und deshalb bekommt sein Gebet eine bittere Note. Als er wieder nach Deutschland zurück gekehrt war, hat er die Lage der Welt auch an anderen Orten ähnlich beurteilt hat. Viel Unvernunft, wenig Klugheit, und wenn's schlecht geht am Ende: der Tod aus Dummheit. Das muss seine Gleichung gewesen sein, mit der er die Weltläufte beurteilt hat. 

Schauen wir die aktuellen Konflikte in Nigeria an, oder in Syrien und auch die an der Grenze zu Europa. Wenn Menschen Argumente austauschen, wenn sie Vernunft walten lassen und möglichst klug sind, dann können sie nicht zu dem Ergebnis kommen: „Ich allein habe recht. Alle anderen liegen falsch. Mir steht mehr zu. Ich darf leben. Und der neben mir nicht.“ Wie viel Hass und Wut und Verzweiflung muss hinzu kommen, dass Menschen zu solchen Grausamkeiten in der Lage sind. Einen anderen umzubringen, gar ganze Volksgruppen – das widerspricht unserer Vernunft. Und dem Glauben an Gott, so wir den haben. Weil Gott uns genau dort – in der Vernunft - zeigt, was er will. Unsere Vernunft ist eine Gottesgabe und die Weisheit der Ort, an dem sich Gott zu erkennen gibt. Darauf wird in der Bibel immer wieder hingewiesen. Auch in den Lesungen, die heute Teil des katholischen Sonntagsgottesdienstes sind. Dort heißt es im Buch der Sprichwörter: Lasst ab von der Torheit, dann bleibt ihr am Leben, und geht auf dem Weg der Einsicht. (Spr 9,6)

Vernunft und Gott. Das ist in der Bibel nicht nur kein Widerspruch. Es ist für die Menschen, die darin schreiben, das Logischste von der Welt: Was vernünftig ist, das kann dem Willen Gottes nicht widersprechen. Und umgekehrt: Was dumm ist, stammt nicht von Gott. „Bewahre uns vor Dummheit.“ Wahrscheinlich ist es wichtiger Gott darum zu bitten, als um somanches andere.

 

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