Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Über manche Erfahrungen kommt man nicht so einfach hinweg. Jemand hat mich enttäuscht, belogen, betrogen, verlassen, meine Pläne und Hoffnungen zerstört. Und ich komme nicht darüber weg. Wenn ein Paar sich getrennt hat, wenn eine Ehe geschieden wurde – dann geht das oft so. Immer wieder muss man zurückdenken – und immer neu tut es weh. Wie eine Wunde, die nicht zugehen und heilen will.
Manchmal allerdings ist es wohl tatsächlich so wie bei einer Wunde: sie kann nicht heilen, weil man immer wieder daran herum macht. Wenn man ständig kratzt und reibt, wenn man zu oft den Verband wechselt und nachschaut, wie es steht, dann kann eine Wunde nicht heilen. Manchmal wird es davon nur noch schlimmer. Genauso, meine ich, ist es mit den Verletzungen der Seele. Wenn man immer wieder auf das schaut, was man einander angetan hat, immer wieder fragt: wer hat den nun Schuld, wenn man nicht aufhören kann, Vorwürfe zu erheben, gegen sich selbst oder den anderen: dann kann die Wunde nicht heilen. Dann wird das Leben schwer, denn mit einer offenen Wunde zu leben, das tut weh.
Als Beispiel erzählt die Bibel von einer Frau, die zurück schaut (1. Mose 19) Sie hat mit ihrer Familie den Untergang ihrer Stadt erlebt. Auf einmal war alles weg, was ihr Leben gewesen war. Das ist schlimm, keine Frage. Aber sie haben eine Aussicht – einen Ort, gar nicht so weit entfernt, an dem sie neu anfangen könnten. Gott selbst, heißt es, zeigt ihnen den Weg dorthin. Bloß: Die Frau kommt nicht weiter. Sie schaut zurück. Sie kommt nicht los von dem, was war. Und erstarrt. Sie wird zur Salzsäule, erzählt die Bibel. Die anderen dagegen: ihre Kinder, ihr Mann – die schauen nach vorn, die finden einen neuen Anfang...
Natürlich: Es ist gut, wenn man genau anschaut, was war – damit man dieselben Fehler nicht irgendwann wieder machen muss. Aber was kann helfen, dass man nicht in seinem Schmerz erstarrt?
Davon reden hilft sicher – und dann auch zuhören, was die anderen mir zu sagen haben. Zum Beispiel die Frage: Willst Du überhaupt, das es heilt? Oder willst Du ganz gern die Wunde offen lassen, damit alle sehen, wie übel man dir mitgespielt hat? Das ist eine kritische Frage, ich weiß. Aber vielleicht hilft sie ja, nach vorne zu sehen. Denn es gibt Orte, wo man neu anfangen kann. Es gibt Leute, die da sind und mitgehen. Oft ganz in der Nähe. Und Gott hilft, dass wir sie finden. https://www.kirche-im-swr.de/?m=2022
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