Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Die meisten Menschen haben einen Terminkalender. In irgendeiner Form brauchen wir fast alle etwas, das uns an unsere Termine erinnert: Sei es in klassischer Form aus Papier, der Familienkalender an der Küchenwand oder elektronisch auf dem Smartphone. Terminkalender sind per se erst einmal sehr hilfreich. Sie erinnern mich daran, mit wem ich mich wann treffe und wann ich was tun muss. Aber ich kenne auch die andere Seite: Manchmal ist es eher so, dass ich Wochen im Voraus meine Zeit mit Terminen zupflastere. Meine Zeit ist völlig verplant.

Der frühere Limburger Bischof Franz Kamphaus hat diesen Umgang mit der Zeit einmal mit einer Autofahrt verglichen. „Kann es sein, dass wir so leben, wie wir Auto fahren? Die Augen voraus auf die Straße gerichtet, ein flüchtiger Blick in den Rückspiegel, so rasen wir nach vorn. Was um uns herum ist, nehmen wir kaum noch wahr. Wir sind immer schon beim Nächsten und Übernächsten.“

Wenn mein Kalender voll ist, dann komme ich mir manchmal auch so vor: wie auf einer Autobahn. Möglichst schnell weiter. Und dann merke ich, wie ich fast nur noch in „Wenn…, dann…“ – Sätzen denke. Wenn diese Woche rum ist, dann… Wenn ich dies oder das erledigt habe, dann… Wenn dieses Treffen vorbei ist, dann…

Es gehört für die meisten zum Alltag, Dinge zu erledigen und Termine wahrzunehmen. Aber ich ertappe mich manches Mal auch dabei, dass ich außer den Terminen nichts mehr wahrnehme: nicht die traurigen Augen einer Schülerin oder das Zögern in der Stimme einer Kollegin. Sonst hätte ich doch gemerkt, dass sie das Wichtigste noch gar nicht ausgesprochen hat.

Am besten wäre es vermutlich, den Kalender gar nicht erst mit Terminen so vollzustopfen. Mir passiert es aber trotzdem immer wieder. Darüber möchte ich nicht klagen. Es ist eben so. Unzufrieden werde ich aber, wenn ich immer auf dem Sprung zum nächsten Termin bin. Dann bin ich nirgendwo richtig da. Dann nehme ich nicht mehr wahr, was um mich herum passiert. Und dann kann ich auch nicht mehr mit Gott in Berührung kommen. Denn Gott begegne ich nur im hier und jetzt. In der Vergangenheit kann ich seine Spuren sehen und ich vertraue darauf, dass ich von ihm auch in der Zukunft begleitet werde. Aber eine wirkliche Begegnung geht nur jetzt. Zum Beispiel indem ich mehrmals am Tag bewusst darauf achte, was ich tue oder wie es gerade um mich herum aussieht. Dann ist wieder ein klein wenig Platz für die Menschen um mich herum. Und dann entdecke ich in der Begegnung mit diesen Menschen oder auch in der Natur Gottes Spuren.

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