SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Er brauchte keinen Gott. Es ging ihm wirklich gut. Und bisher lief alles glatt. Er hatte einen interessanten Beruf. Er führte eine glückliche Ehe. Zwei Kinder wurden geboren, gesund und begabt. Geld war da, das Haus wurde gebaut, Religion und Kirche spielten keine Rolle. Sie fehlten ihm nicht.
Auf so eine Einleitung folgt normalerweise ein Schicksalsschlag, der den Menschen aus seinem Glück reißt, ihn an den Tod erinnert und – im besten Falle – eine Hinwendung zu Gott mit sich bringt. Vielleicht haben Sie es auch erwartet. Aber hier war es nicht so. Der Mensch blieb glücklich, es ging ihm und seiner Familie gut bis ins Alter, als ich ihn kennenlernte. Und genau das machte ihn nachdenklich. Es war nicht so, dass er dem Glück misstraute, er hatte nur das Gefühl: Ich müsste auf all das Gute reagieren, ich müsste mich bedanken. Aber bei wem? Er sagte zu mir: Ich empfinde eine tiefe Dankbarkeit, aber ich weiß nicht wohin mit meinem Dank. Und irgendwie finde ich das beunruhigend, es nagt an mir. Dem Partner, den Kindern, den Freunden bin ich dankbar. Aber ich finde, dieser Dank gehört in einen größeren Zusammenhang.
Die Psalmen der Bibel sind voller Dankbarkeit, und sie nennen den Ursprung ihres Glückes: Gott. Danket dem Herrn, denn er ist sehr freundlich, und seine Güte währet ewiglich, heißt es da. Not lehrt bekanntlich beten. Aber nicht immer und überall ist Not, es gibt auch das Glück, das Beschenkt werden, das Gesundsein, die Liebe. Der Dankbare sucht nicht den Zufall, sondern einen Geber. Er ahnt, dass da etwas größer ist als er selbst. Und irgendwann möchte er diesen Geber, diesen freundlichen Unbekannten kennenlernen.
Danken scheint ein Grundbedürfnis zu sein, ein Existential. Es ist als solches nicht religiös. Aber es kann einen mit Gott in Berührung bringen. Mein Gesprächspartner beginnt gerade, sich für den Glauben zu interessieren, er entdeckt Gott als die Quelle seines Glücks. Auch wenn das nicht so oft vorkommen mag; finde ich es bemerkenswert. Man muss Gott nicht nur als Nothelfer sehen. Nicht nur als den, der für das Unglück zuständig ist. Man kann Dankbarkeit zulassen, oder einmal die Frage stellen: Warum geht es gerade mir so gut? Und wer steht dahinter, dass es mir so gut geht?
Danket dem Herrn, denn er ist - trotz allem - sehr freundlich. Ich brauche Gott, weil ich sonst nicht weiß, wohin mit meinem Dank. Und wohin mit meiner Not. Auch wenn mein Glück von kurzer Dauer ist, bleibt seine Güte ewiglich.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20015
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