SWR2 Wort zum Tag

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Im Dom zu Greifswald sah ich ein Epitaph aus dem 17. Jahrhundert.
Es zeigt ein Ehepaar in schwarzer Kleidung, welches sechs Kinder in jungen Jahren verloren hat. Die Kinder sind ebenfalls zu sehen, der Größe nach, mit lebendigen Gesichtern und großen, fragenden Augen. An der Seite des Jüngsten Kindes sieht man noch eine winzige Gestalt, die aussieht wie ein kleiner Engel. Ein Kind hat die Mutter noch vor der Geburt verloren – und hier hat der Künstler die Seele dieses Kindes dargestellt, im Gegensatz zu allen anderen in strahlendem Weiß. Auf der Inschrift lese ich: „Joachim Stephani und Barbara Ribow ließen dieses Epitaph errichten für ihre Kinder Barbara, Joachim, ein im Mutterleib gestorbenes, Katharina, Johannes, Christoph, die durch den Tod ins ewige Leben eingegangen sind (…).“
Mich hat das bewegt, die Namen der Kinder, die Erwähnung des Totgeborenen. Wie sich die Liebe der Eltern zu ihren Kindern in den wenigen Worten der Inschrift widerspiegelt. Jedes einzelne war ihnen kostbar, und unter großen Schmerzen mussten sie es loslassen. Akademischer Erfolg und materieller Wohlstand konnten hier nicht trösten. Nur eines scheint den Eltern die Kraft gegeben haben, dies alles durchzustehen: Der Glaube an die Auferstehung ihrer Kinder. [Per mortem in vitam caelestis translatis.] „Durch den Tod ins himmlische Leben hinübergegangen“ steht da. Dieser Glaube ist nicht herzlos und dogmatisch, kein „wird ja alles wieder gut.“ Es ist ein Glaube voller Liebe und Sehnsucht. Er rechnet fest damit, dass Gott da ist, dass er regiert. Unsere Kinder, so verstehe ich diese Botschaft, sind nicht tot, sie sind unterwegs, vielleicht schon dort. Und selbst das kleine, Ungeborene ist mit eingeschlossen in diese Hoffnung: Dort wird sein Leben sich entfalten. Dort werden wir uns wiedersehen.
Stephani war übrigens ein bedeutender Rechtsgelehrter. Er prägte die Devise: Cuius regio, eius religio: Unter wessen Herrschaft man lebte, dessen Religion musste man haben. Wer das Land regierte, der bestimmte die Konfession seiner Untertanen. Jedenfalls galt das für die Zeit nach dem 30-järigen Krieg. Aber jenseits von Politik und konfessioneller Trennung gibt es nur einen einzigen, universalen Herrschaftsbereich. Gott regiert über Leben und Tod. Davon war diese Familie überzeugt, und das tröstet auch mich im Hinblick auf so viel sinnloses Leiden und Sterben. Die toten Kinder aller Zeiten, alle zu früh Gestorbenen, auch die Getöteten. Hinübergegangen, um dort vollendet zu werden. Christus ist vorausgegangen.
Er sagt: Ich lebe, und ihr sollt auch leben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20013
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