Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Zeitschriften, die auf der Titelseite mit einer Diät werben, verkaufen sich besser. Das hat ein Forschungsinstitut herausgefunden. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, dass neunzig Prozent aller Diäten wirkungslos sind. Was wiederum medizinische Untersuchungen einhellig bestätigen. Nach kurzer Zeit haben die meisten ihr Gewicht vor der Diät wieder erreicht oder sogar mehr. Trotzdem verkaufen sich Diäten gut. Milliarden werden damit allein in Deutschland umgesetzt. Weshalb ist das so?

Weil viele Menschen mit ihrem Spiegelbild nicht zufrieden sind. Weil sie gerne ein anderer sein wollen. Weil sie nicht dem Ideal entsprechen, das von der überwiegenden Mehrheit der Gesellschaft gerade als schön angesehen wird. Dieses Ideal wird von genau derselben Zeitschrift präsentiert, die für die Diät wirbt. Auf der einen Seite wird uns das Bild von der wahren Schönheit gezeigt. Wenn wir umblättern, wird uns der Weg dorthin schmackhaft gemacht. Deshalb wollen bereits junge Mädchen schlank und groß sein, Jungen trainiert und sportlich. Männer gehen ins Fitnessstudio und Frauen hungern. Je größer die Unzufriedenheit mit sich selbst ist, desto mehr sind manche bereit, auf sich zu nehmen. Ich lasse einmal dahin gestellt, ob sie damit tatsächlich dem näher kommen, was sie unbedingt erreichen wollen: nämlich attraktiv zu sein und damit anerkannt unter den Freundinnen und Kollegen.

Wenn es aber um junge Menschen geht, um Mädchen mit vierzehn Jahren, dann hört für mich der Spaß auf. Es scheint immer häufiger vorzukommen, dass Mädchen in der Pubertät mit ihrem Spiegelbild ein Riesenproblem haben. Das ist zunächst nicht erstaunlich. Auf dem Weg zum Erwachsensein gehört es dazu, sich mit sich selbst kritisch auseinander zu setzen. Hin und wieder findet man dann den eigenen Körper hässlich und das Gesicht unattraktiv. Es gibt überhaupt mehr Fragen als Antworten. Und dass man sich an den Älteren und deren Vorlieben abarbeitet, ist völlig normal. Im Normalfall findet man so im Laufe der Zeit seine Identität, sein Ich. Was aber, wenn das nicht gelingt, wenn die Anforderungen und Zwänge übermächtig sind? Für manche jungen Menschen scheinen die Ideale so meilenweit von der eigenen Realität entfernt zu sein, dass sie darüber verzweifeln und krank werden. Es werden leider immer mehr, und das erschreckt mich. Wer in den Spiegel schaut, wird immer Mängel entdecken: Falten, Fettpolster, falsche Maße. Erwachsen werden heißt auch: damit zu leben. Dabei brauchen junge Leute einen Vorschuss an Vertrauen und Signale, die ihnen Mut machen. Keine Diäten.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19984
weiterlesen...