Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Mein erster Chef hat immer für mich gezahlt, wenn wir in einem Wirtshaus eingekehrt sind. Das war für ihn selbstverständlich. „Als Pfarrer“, hat er gesagt, „musst Du mit Deinem Geldbeutel umgehen, wie ein Familienvater, der zwei Kinder hat. Der verdient nämlich ungefähr genauso viel.“ Mich hat das nicht nur beeindruckt, sondern ein Stu?ck weit geprägt. Ich habe es dann später genauso gemacht, und meine Azubis eingeladen. Und hin und wieder sage ich dann auch den Satz vom Geldbeutel, den ich nie mehr vergessen werde.

In der Ausbildung zum Pfarrer gibt es viel zu lernen: wie man eine gescheite Predigt hält zum Beispiel; wie man Religionsunterricht vorbereitet; und wie man nicht aufgibt, wenn Leute einem von ihrem Leid erzählen. Darüber hinaus habe ich gelernt, was für ein Mensch ich sein muss, um ein guter Priester zu sein. Dazu brauchte ich keinen Unterricht und keine Kurse, das habe ich gesehenbei den Pfarrern, bei denen ich als Diakon und Vikar in die Lehre gegangen bin. Da geht es nicht um Kenntnisse, also um das, was man tut. Es geht vielmehr um das Wie. Das verrät am meisten über deine Person. Die Leute spüren das ganz schnell: Ob du angelernte Antworten herunter leierst.Oder ob du dich auf sie einlässt und ihre Fragen ernst nimmst. 

Im Laufe der Jahre habe ich oft gemerkt, wie sehr es hilft, großzügig zu denken und zu sein. Das verrät nämlich etwas über die Weite des Herzens. Wenn jemand ein Problem mit sich herum trägt, das ihn total belastet, dann nützt es nichts, wenn ich ihn mit Vorschriften konfrontiere. Wenn einer ohnehin schon verärgert ist, dann hilft es ihm, wenn ich über seine unfreundliche Art für den Moment hinweg sehen kann. Wenn jemand am Rande seiner Möglichkeiten ist – wie der griechische Staat derzeit – dann braucht er keinen Vortrag übers Sparen. Dann entspannt zu sein, das hilft. Die innere Größe wird sich auf die äußeren Umstände übertragen. Und meinem Gegenüber und mir gut tun. 

Wie einer mit seinem Geldbeutel umgeht, das hat zunächst einmal nichts mit Gott und dem Glauben an ihn zu tun. Es verrät allerdings etwas über den Charakter eines Menschen. Großzügig zu sein, das tut anderen gut. Und am Ende einem selber auch. Wer auf bescheidene Art großzügig ist, der verrät etwas von dem, was ihm kostbar ist, von seiner Liebe zu anderen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19980
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