Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Keiner von uns Menschen ist perfekt. Mögen wir achtsam und aufmerksam miteinander umgehen und uns gegenseitig Wertschätzung und Respekt zeigen.“ In einer moderneren Fassung des „Vaterunser“ wird hier versucht die Erfahrung des Bösen in unserer Welt anzusprechen. Menschen machen sich schuldig und können Versuchungen erliegen. Kein leichtes Thema!
Manchmal kommt es mir so vor, als wenn wir immer noch nach dem Prinzip „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ funktionieren. Mich erschreckt, was Menschen sich gegenseitig antun können, aus Neid, aus Rache, aus Habgier. Körperliche und seelische Gewalt scheint nicht ab-, sondern zuzunehmen. Ist Jesus ein Traumtänzer gewesen, wenn er gepredigt hat, wir sollen vergeben und verzeihen?
Wir suchen nach Schuldigen, wenn mal wieder etwas Schlimmes passiert ist. Wer Fehler macht wird aufmerksam verfolgt. Gerne findet man Sündenböcke und ist froh, wenn einen selbst die Schuld nicht trifft. Aber wir erleben auch, dass sich Menschen wirklich schuldig machen. Und keiner von uns kann behaupten, nie Schuld auf sich geladen zu haben. Schuldig machen wir uns doch ständig irgendwie an uns selbst und an unseren Mitmenschen. Ein komplexes und heikles Thema: die Schuldfrage. Juristisch scheinen wir sie noch am einfachsten lösen zu können: Wer hat Recht? Was sagt das Gesetz? Ist es legal, dann ist es erlaubt. Ob es moralisch in Ordnung geht, ist damit oft noch nicht geklärt.
Die Welt der Bibel geht ganz selbstverständlich von der Existenz des Teufels aus. Der Verwirrer, der große Versucher. Es wird von Jesus erzählt, er hätte Prüfungen bestehen müssen, die ihm der Satan gestellt hat. Es wundert deshalb nicht, dass Jesus auf die Frage seiner Jünger, wie sie beten sollen, ganz selbstverständlich auch die Bitte anführt, Gott möge uns Menschen von dem Bösen erlösen. Der Böse als Person oder das Böse als Phänomen, womöglich als Schicksal. Das „Vaterunser“, das zentrale Gebet der Christen, benennt, dass wir uns persönlich schuldig machen, gegenseitig, verstrickt und verzwickt.
Es ist so etwas wie ein Leitmotiv Jesu, dass wir uns deshalb vergeben und verzeihen sollen.
Vom Sinn her meint die moderne Übertragung des „Vaterunsers“ etwas ähnliches, wenn es heißt: „Keiner von uns Menschen ist perfekt. Mögen wir achtsam und aufmerksam miteinander umgehen und uns gegenseitig Wertschätzung und Respekt zeigen.“ Es ist ein Wunsch und verpflichtet uns gleichzeitig, eine wertschätzende Haltung einzunehmen. Das kann uns vielleicht helfen, so manche Teufelskreise zu durchbrechen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19928
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