Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Haben Sie Vertrauen in unseren Staat? Oder geht es Ihnen wie Jesus?
Der hat über Herodes, seinen Landesherrn, ziemlich gelästert. Öffentlich hat er ihn abschätzig „den Fuchs“ (Lukas 13,32) genannt. Anscheinend hatte Jesus kein Vertrauen zu Herodes. Würde ich so über den Ministerpräsidenten reden, oder die Kanzlerin? Ernstlich nicht.
Warum hat Jesus seinen Landesherrn „Fuchs“ geschimpft. Öffentlich. Nicht hinter vorgehaltener Hand, oder am Stammtisch. Nein, laut und deutlich, dass es jeder mithören konnte, auch die staatlichen Spitzel.
„Fuchs“: Anscheinend sieht er in ihm einen Räuber, der sich im Schutz der Dunkelheit an seine Beute heranmacht. Der Landesherr der Fuchs, die einfachen Menschen die Beute. So wenig Vertrauen gab es damals zwischen der Regierung und den Bürgern.
Ich möchte gern vertrauen, dem Staat, der Regierung, der Demokratie. Vertrauen ist fundamental, damit man unbeschwert leben kann. Dass man sich nicht bedroht fühlen muss, sondern sich frei und sicher bewegen kann. In geschützter Privatsphäre.
Dafür ist Demokratie „erfunden“ worden, dass Vertrauen herrscht zwischen dem Volk und den Gewählten. Darauf beruht sie, nicht auf Druck, Macht oder Überwachung. Vertrauen vor allem, dass der Staat die Würde jedes Bürgers, jeder Bürgerin achtet. Ach was achtet. Schützt. Unsere unantastbare Würde.
Schafft unser Staat das zur Zeit? In Zeiten der Digitalisierung aller Lebensbereiche? Ich fürchte nein.
Er schützt mich nicht davor, dass ich telefonieren kann und sicher sein, dass niemand mithört. Ja, es ist sogar noch ernster. Es sind staatliche Stellen, die in unsere Privatsphäre eindringen. Und wissen wollen, was wir reden. Mit wem. Wie kann ich als Bürger meinem Staat trauen, wenn ich fürchten muss, dass er mir und Ihnen nicht traut.
Und unser Staat schafft es bisher auch nicht, den großen Konzernen wie Facebook, Google usw. Grenzen zu setzen, dass sie nicht alles über mich erfahren können, was sie wollen. Wen ich mag, wohin ich mich bewege, was ich gern kaufe, also irgendwie auch was ich denke. Im Netz liegt das für viele offen.
Unser Staat, ist er zu schwach, unsere Würde zu schützen?
Ich möchte vertrauen. Was tue ich also? Ich verdränge, wie sehr ich beobachtet werde, belauscht. Meiner Privatsphäre beraubt. Verdrängen statt vertrauen. Das kann doch in einer Demokratie nicht die Lösung sein.
Jesus hat seinem Fürsten nicht vertraut. Er hat ihn „Fuchs“ genannt. Aber der Landesherr von Jesus wollte ja auch nicht demokratisch sein. Ich glaube, es ist Zeit, dass wir Bürger für eine Demokratie aufstehen, in der Vertrauen herrschen kann.

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