Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Womit habe ich das verdient?
Mir geht’s ziemlich gut, gesundheitlich, nur die altersgemäßen Probleme. Schlechtere Augen, die Knochen tun manchmal weh. Ich habe gut geratene Kinder. Ich habe das Glück, in ein Land hinein geboren zu sein, in dem seit 70 Jahren kein Krieg herrscht. Ich muss nicht vor Krieg und meiner Regierung flüchten, die mir beim kleinsten Mucks ans Leben und die Freiheit geht. Wie Millionen Menschen auf der Welt, die nur das Pech haben, woanders geboren zu sein. Womit habe ich das verdient?
Der Klimawandel trifft uns hier in Deutschland bisher nur moderat, anderen Menschen auf unserer Erde spült er längst den Boden unter den Füßen weg. Oder trocknet ihnen die Erde aus, von der sie leben möchten
Womit habe ich das verdient, dass es mir gut geht? Mit nichts.
Es ist da, unverdient.
Und die, die jetzt auf dem Mittelmeer unterwegs sind mit einem dieser „Seelenverkäufer“ und Sie, die eine schwere Diagnose bekommen haben und krank sind. Und Sie, die sich Sorgen machen um Ihre Kinder. Und die Menschen, die auf der dunklen Seite unseres Wirtschaftswunders leben. Womit haben die und Sie das verdient? Gar nicht!
Es ist, wie es ist, niemand kann sich seine Gesundheit verdienen. Und niemand verdient sein Unglück. Es ist einfach wie es ist. Und darum finde ich, ich kann nur dankbar sein. Und wenn Sie auch spüren, dass Sie ziemlich viel Glück haben im Leben, dann Sie auch. Wir können nur von Herzen dankbar sein. Und jeden Morgen und Abend daran denken. Nein, verdient habe ich mir das nicht. Ich kann ein bisschen darauf aufpassen, dass das Gute gut bleibt. Indem ich es schätze und bewahre. Aber auch damit kann ich nichts verdienen. Das mit der Gesundheit kann ja auch schnell anders aussehen.
Und wenn es nun Ihnen und mir unverdient gut geht. Wenn wir Grund haben, dankbar zu sein: Ich finde, dann ist es unsere Pflicht und Schuldigkeit beizustehen. Denen, die ihren Kummer nicht verdient haben.
Dankbarkeit muss nicht nur ein Gefühl sein, das ich nach innen empfinde und vielleicht Gott gegenüber ausdrücke. Sie kann auch ein Lebensgefühl werden, vielleicht sogar eine Haltung, die man teilt. Die man dann auch nach außen spüren kann. Die anderen zu Gute kommt.
Und jetzt nehmen wir mal an, ich tue Flüchtlingen was Gutes oder ich besuche jemanden, der schwer krank ist. Und die bedanken sich dafür. Das macht mich dann glücklich. Das ist dann sogar verdient.

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