SWR1 3vor8

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Fronleichnam

Blut - um den roten Lebenssaft geht es heute in allen drei Texten, die in den Katholischen Kirchen gelesen werden. In der ersten Lesung ist zu hören wie Moses das Volk Israels mit dem Blut junger Stiere besprengt.  In der zweiten Lesung spricht der Apostel Paulus davon, dass Christus mit seinem Blut die Menschen erlöst hat. Und im Evangelium nennt Jesus selbst seinen Leib Brot und den Wein sein Blut.

Mei oh mei, ganz schön viel Blut. Ist die christliche Religion denn eine blutrünstige Religion, könnte man sich da fragen. Nein. Diese ganze Blut-Thematik ist nur aus der Geschichte der Religionen zu verstehen. In denen es ganz früher Menschenopfer gab. Statt der Menschen wurden im Laufe der Zeit Tiere geopfert, was ein Fortschritt in der Entwicklung der Menschheit war. Diese Opferpraktiken klingen auch heute noch im christlichen Glauben nach. Lange wurde der Kreuzestod Jesu als eine Art „Bluthandel“ gedacht: Jesus vergießt sein Blut, nimmt bei diesem Selbstopfer die Sünden der Menschheit auf sich und versöhnt sie dadurch mit Gott. In der heutigen Theologie gibt es aber auch andere, weniger archaische Glaubensvorstellungen. Opfer und Blut spielen dabei zwar auch noch eine Rolle, aber eine andere: Beim Opfer geht es um Hingabe und Aushalten können. Und beim Blut um das Innerste des Menschen, seine Substanz. Und an die Substanz geht es immer, wenn der Mensch an Grenzen kommt oder in Gefahr gerät.   Bei Jesus war es die uralte Frage, ob er der tödlichen Aggression des Menschen wie alle Anderen bisher begegnet: mit Angriff oder mit Flucht. Das ganz Außergewöhnliche an ihm war, dass er weder geflüchtet ist noch angegriffen hat: dass er geblieben ist, sich ausgesetzt hat, ausgehalten hat. Dass er gezeigt hat, es geht auch anders. Er hat das in extremster Weise getan, sein Blut vergossen im Wortsinne, bei der fürchterlichen Kreuzigung, aber auch im übertragenen Sinn: Er hat einen neuen Geist, eine neue Substanz in die Welt gegossen. Er hat die endlose Spirale von Gewalt und Gegengewalt aufgelöst. Mit seiner friedlichen Hingabe hat er ein unsterbliches Gegenbild zu Hass und Aggression gezeigt.                                                                       Dieses übergroße Gegenbild taugt natürlich schwer für den Alltag.  Aber ich kann daraus etwas Wichtiges für mein Leben lernen: Spannungen, Konflikte und Krisen können, ja müssen vielleicht ausgehalten, ja manchmal durchlitten werden. Damit ich das überwinden kann was mich belastet. Und frei werden kann. Frei zur Versöhnung oder für ein neues Leben…

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19898
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